Dezembergeheimnis
aufgenommen vor dem inneren Auge und kniff die Lider fest zusammen. Es war sicherlich noch nicht zu spät. Sie konnte das hundertpro wieder gerade biegen. Schließlich waren sie beide erwachsene Menschen und nur weil das der erste Kuss gewesen war, musste das noch lange nichts an ihrer Beziehung ändern. Gewiss konnten sie am nächsten Morgen beim Frühstück reden und abends schon wieder drüber lachen.
Schmatz
.
Nachdem Lea ihren ersten Kuss noch etwa siebenundfünfzigmal im Geiste gesehen, plus sechsmal davon geträumt hatte, war sie sich sicher, nie wieder auch nur in die Nähe von Noels Lippen zu kommen. Schluss mit Körperkontakt und vor allem mit der Eigeninitiative war es aus und vorbei.
Als sie ins Wohnzimmer trat, saß Noel auf dem Sofa und las. Er blickte nicht auf, sondern hatte Falten auf der Stirn und schien sehr konzentriert zu sein.
»Guten Morgen. Möchtest du Frühstück?« Sie traute sich nicht mal, laut zu sprechen. Noel murmelte nur ein abwesendes »Nein, danke«, woraufhin Lea mit Flunsch im Gesicht in die Küche schlich. Nur wenige Minuten später setzte sie sich, bewaffnet mit einem beschmierten Toast, neben Noel im Schneidersitz auf die Couch. »Können wir reden?«
Jetzt reden und später drüber lachen
: Mission eingeleitet.
»Wenn du willst.«
»Bist du sauer?«
Noel schloss die Augen, atmete hörbar aus und schüttelte schließlich den Kopf. »Nein.«
»Sicher?«
Er legte das Buch beiseite und sah sie von unten herauf an. »Es tut mir leid. Ich wollte mich nicht so blöd verhalten, es ist nur … ich bin«, dabei schloss er kurz die Augen, »ziemlich fertig. Hab die Nacht nicht so gut geschlafen.«
Lea nickte bloß, sah aber keine Notwendigkeit darin, die Erinnerung an ihre ach so erholsame Nacht zu teilen. »Eigentlich bin ich ja die, die sich entschuldigen müsste. Ich hab schließlich gestern einfach … «
»Nein«, unterbrach sie Noel mit erhobener Hand. »Alles gut. Ich war nur überrascht.«
»Du fühlst dich also nicht … komisch deswegen?« Lea wurde immer leiser und kleinlauter und starrte auf den Toast.
Sein Blick wurde gequält. »Ich hab mich ganz schön dumm aufgeführt, oder?«
»Nein, nein, alles okay, ist ja dein gutes Recht, ich hab dich ja auch ziemlich überfallen.«
»Du hast mich geküsst«, Lea wurde rot, »daran ist doch nichts schlimm! Im Gegenteil: Es ist toll und ich freue mich … « Er wandte den Kopf Richtung Couchtisch.
»Aber?«
Er seufzte. »Ich weiß es nicht. Irgendwie fühlt es sich gleichzeitig doch komisch an. Ich komm nur nicht dahinter, wieso. Denn ehrlich, ich freu mich.«
Lea presste die Lippen aufeinander und aß schließlich doch einen Bissen von ihrem Frühstück, während sich eine seltsame Stille über ihnen ausbreitete. Hatte er nun ein Problem oder nicht? Es sah offensichtlich danach aus, denn wenn es stimmen würde, was er sagte, warum wollte er sie dann nicht wieder küssen?
»Gibt es irgendwas, was ich tun kann, damit …?«
»Nein. Alles gut. Ich … Tut mir leid«, er hob beide Hände, »vergessen wir einfach alles, was ich gerade gesagt habe.«
Lea schob eine Augenbraue nach oben, verkniff sich aber jeglichen Kommentar und nickte stattdessen. »Wir können es ja vielleicht auch erst mal etwas beiseitelegen. Gibt es irgendwas, was du gerne tun würdest? Was dich aufheitern würde?«
»Ich weiß nicht. Bestimmt.«
»Sag einfach, was du machen willst und wir machen es. Ganz gleich was.«
»Darüber muss ich nachdenken.«
»Okay.«
Lea aß weiter den Toast und vermied dabei jeglichen Augenkontakt, spürte jedoch, wie Noel immer wieder zu ihr schielte.
»Also … «, fingen beide gleichzeitig an.
»Oh, sorry, du zuerst«, folgte wie aus einem Mund. Peinlich berührt schwiegen sie, ehe Lea den leeren Teller griff und aufstand. »Alles klar, ich … ich gehe einfach ins Schlafzimmer.«
Noel nickte wortlos und Lea brachte das Geschirr in die Küche und verschwand mit leise schließender Tür.
»Uff.« Das war nicht so Friede-Freude-Eierkuchen verlaufen, wie sie sich erhofft hatte.
Sie sah sein Problem und dann auch wieder nicht: Einerseits schien er ihr nicht böse zu sein – heißa! – aber glücklich war er trotzdem nicht. Vielleicht küsste sie nur ausnehmend schlecht? Aber sie hatte doch nur ihre Lippen auf seine gedrückt, konnte man dabei irgendwas falsch machen? Hätte sie ihre Lippen anders schürzen sollen? Aber sie hatte es doch schon hunderte und aberhunderte Male in all
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