Dezembergeheimnis
endgültig auf dem Heimweg. Der Grund, dass sie die Paul-Thematik so fix besprechen konnten, war Leas veränderte Einstellung. Sally hatte Recht: Sie hatte sich wirklich verändert.
Sie sprach Sally nicht weiter nach dem Mund und fluchte auf alle XY-Chromosomen -Träger, nur weil Sally sich mal wieder dazu entschieden hatte, bei zu viel Nähe die Flucht zu ergreifen. Sie hörte sich nicht mehr geduldig die Rekapitulation jedes einzelnen Gespräches an, um zu analysieren, welcher Satz dabei bereits mit einer bösen Absicht versehen hätte sein können, an dem sich erkennen ließ, dass Sally völlig begründet Reißaus genommen hatte.
Stattdessen hatte sie dieses Mal nicht locker gelassen, Sally davon zu überzeugen, Paul noch eine Chance zu geben.
Vielleicht hatte ihre eigene Beziehung, falls man das so nennen konnte, ihr ein bisschen die Augen geöffnet? Hatte sie etwa angefangen, dem anderen Geschlecht etwas mehr zu vertrauen?
Da fielen ihr Marias Worte wieder ein und plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie vielleicht zu voreilig gehandelt hatte, Sally ihre Entscheidung auszureden. Vielleicht hatten die beiden Recht und ihre neue Entwicklung ging in einen naiven Gutglauben?
In Gedanken versunken fuhr sie nach Hause. Als sie vor dem Haus parkte, blickte sie zu ihrem beleuchteten Fenster nach oben. Noel hatte sich ja zugebenermaßen auch etwas seltsam verhalten. Hatte sie ihn bereits schon zu nah an sich rangelassen? Ließ sie sich einwickeln?
Auf der Unterlippe kauend, betrat sie das Treppenhaus und stieg die Treppen hoch. Irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl, was sie in der Wohnung erwarten würde. Vor der Tür zögerte sie. Dann schloss sie auf.
»Ich bin wieder da!«
»Lea, du bist schon hier?« Das kam eindeutig aus der Küche. Lea legte schnell die Sachen ab und wollte gerade um die Ecke biegen, als Noel entsetzt rief: »Wah, Lea, warte, ich … Stopp!«
Er wirbelte herum, aber da trat Lea schon mit einem Scheppern gegen einen heruntergefallenen Topf. Der schlidderte über den Boden, stieß gegen einen Schrank, wodurch ein Ei auf der Arbeitsfläche ins Rollen geriet und mit einem stumpfen
Krack
auf den Fliesen aufschlug.
»Oh Gott, was ist denn hier passiert?« Sie fasste sich mit beiden Händen in die Haare, als sie das Chaos in der Küche sah. Überall lagen die unterschiedlichsten Küchenwerkzeuge und offenen Zutaten verstreut und der Geruch von angebranntem Fleisch lag in der Luft. Doch noch bevor sie das eigentliche Ausmaß der Verwüstung wirklich erfassen konnte, stolperte Noel auf dem Weg zu ihr. Während er mit erhobenen Armen zu Boden ging, wirbelte die Schüssel Mehl, die er in der Hand gehalten hatte, in einer kunstfertigen Drehung nach oben, wandte sich um und verteilte ihren pudrigen weißen Inhalt mit einer Staubwolke in der gesamten Küche.
Hustend fächerte Lea mit der Hand vor ihrem Gesicht, ehe sie vorsichtig ein Auge öffnete. Zu ihren Füßen saß Noel, mit ausgestreckten Beinen an einen Schrank gelehnt, umgeben von einer weißen Schicht, und ließ den Kopf hängen.
»Alles in Ordnung? Hast du dir wehgetan?« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Was soll das hier alles?«
Stück für Stück sah sie sich um und auch wenn komplett alles mit Mehl bestäubt und somit nicht hundertprozentig zuzuordnen war, schien es trotzdem fast so, als hätte Noel versucht … zu kochen?
»Es sollte eine Überraschung werden.« Noel sah nicht auf, sondern ließ die Schultern nur weiter sinken. »Ich wollte, dass wir ein Date haben.«
»Ein … Date?« Das letzte Wort klang irgendwie höher als sonst.
»Tut mir leid, ich hab’s verbockt … «
»Ein Date …? So was wie ein … erstes Date?«
»Ja, das macht man doch so: Mit Blumen und schicken Sachen und gutem Essen.«
Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, um ihr Lächeln zu unterdrücken. »Warum sind wir dann nicht einfach in ein Restaurant gegangen?«
»Ich wollte es selbst machen. Das kam mir romantischer vor … und alle haben geholfen, Sally und Frau Peters, sogar Paul, der hat das Fleisch gebracht … aber jetzt ist es eine einzige Katastrophe.« Er seufzte erneut, aus den Tiefen seiner Seele, und sah Lea mit so großen Augen an, dass jeder Dackel hätte einpacken können. »Du solltest dich lieber umziehen, nicht, dass du dich auch noch dreckig machst.«
»Und du solltest das lange Gesicht wegwischen, das steht dir nämlich gar nicht.« Lea nahm zwei Töpfe vom Boden und stapelte sie
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