Dezembergeheimnis
anrufen, Frau Peters hat es selbst angeboten.«
»Okay. Mach ich.«
»Bis dann, Lea. Und danke nochmal.«
»Ich danke
dir
! Dann bis nachher.«
Nachdem sie das Handy mit einem kleinen Lächeln bedacht und zurück in die Tasche gesteckt hatte, hüpfte sie praktisch zu Frau Löwenberger zurück. Diese verwickelte sie umgehend in die Erläuterung der anstehenden Meetings in Zürich verbunden mit Tagesplänen, Firmen und Namen. Immerhin hatte sie das Beziehungsthema erfolgreich gekillt.
Am Zielbahnhof wurden sie von einer Kollegin empfangen, Camilla Reichert, die sie in ihre Unterkunft begleitete und direkt zum Abendbrot einlud. Nur für die, die bereits angekommen waren wie sie; eine kleine Stadtführung vorher gab es obendrauf.
Lea und Edith Löwenberger hatten je ein eigenes kleines Zimmer.
Klein
traf die Sache auch ganz gut, denn außer dem schmalen Bett, der Heizung und einem Waschbecken befand und passte nichts weiter in das Mauseloch rein. Aber Lea reichte das. Immerhin hatte sie ein Fenster zur Straße raus, von dem sie die schönen Fassaden der anderen Gebäude und vorbeistreunende Passanten beobachten konnte.
Das Wetter ließ sich ohne weiteres mit eklig bis widerlich bezeichnen, denn die Stadt versank in Massen aus matschigem Schnee. Da musste sie an Noel denken – er würde hier keine Stunde überleben, außer er trüge ein Gummiganzkörperkondom oder ein superheldengleiches Regencape. Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Sie hinterließ ihm eine kurze Nachricht auf dem Anrufbeantworter, ehe sie sich noch rasch etwas frisch machte und umzog.
Die Stadtführung war zwar kurz, aber sehr interessant. Obwohl der tiefgraue Himmel die alten Gebäude dunkel und düster wirken ließ, faszinierte Lea gerade das. Das Kopfsteinpflaster war rutschig und die Fassaden türmten sich in den engen Gassen über ihnen, genau wie der schon bald dämmernde Abendhimmel. Ihnen wurden ein paar Wege erklärt, die Lea leider schnell wieder vergaß, und das Grossmünster und die Bahnhofsstraße gezeigt.
Das Abendessen fand in einem kleinen Restaurant statt und außer Lea, der Chefin und Camilla waren nur noch zwei weitere Vertreter der Bibliotheksbranche anwesend, die Lea aber alles andere als sympathisch fand. Insgesamt führten die beiden Herren in Schlips und Brille den Hauptteil der Diskussion, bei der Lea sich vor allem mit Zuhören beteiligte. Für all diese Themen, die hauptsächlich in wirtschaftlichen und kommerziellen Becken schwammen, war sie schlicht zu sehr einfache Angestellte, um wirklich etwas Kluges beizutragen. Mehr als einmal ertappte sie sich dabei, wie sie auf das Etikett ihrer Flasche starrte anstatt in die Augen der Tischnachbarn und sich fragte, was Noel wohl gerade machte.
Bis auf Camilla zeigten die anderen kein großes Interesse an ihr. Da Lea die Lust auf Konversation aber auch über die Stunden hinweg wie Spülwasser im Abguss dahinrann, hüllte sie sich in bescheidenes Schweigen.
Als sie endlich wieder in ihrem Zimmer ankam, hatten sie die Fahrt und der Alkohol mehr geschlaucht, als ihr selbst lieb war, weswegen sie einenAnruf Daheim verschob. Obwohl sie sehr schnell einschlief, war die Nacht ein Grauen. Keine ganze Stunde später starrte sie mit offenen Augen zu dem dämmrigen Licht der Straßenlaterne vor dem Fenster. Dreißig Minuten später schlief sie wieder, zwei Stunden später war sie wieder wach. Vielleicht war das Bett zu weich, auf jeden Fall war die Bettdecke viel zu warm; es gab nur die Wahl zwischen frieren ohne oder schwitzen mit. Ob Noel schlafen konnte?
Der nächste Morgen startete mit einem zeitigen Frühstück im Keller der Herberge. Auch dieser Tag war für die Ankunft der Gäste der großen Tagung am Wochenende reserviert, die ebenfalls gen Nachmittag eine Stadtführung erhalten sollten.
Frau Löwenberger und Lea verbrachten den Vormittag in einem kleinen Café, in dem Edith Löwenberger sich mit zwei Freundinnen traf, die ebenfalls ihre Finger im Bibliothekswesen hatten, um sich ein wenig außerhalb der Meetings auszutauschen. Lea bekam einen kleinen Block und Stift gereicht, um interessante Einfälle für neue Projekte, Umgestaltungen oder Marketing zu notieren.
Jede hatte ihre eigenen Ideen und durch ihre Herzlichkeit – die sogar bei Leas Chefin eine charmante Seite hervorlockte – zauberte allein das Zuhören ein Lächeln auf Leas Gesicht. Sie tranken sehr guten Tee und aßen leckeren Kuchen zusammen, von dem Lea sicher war, dass der Teig auch Noel geschmeckt
Weitere Kostenlose Bücher