Dezembergeheimnis
und hörte Edith Löwenberger mit gerunzelter Stirn zu.
»Was sagten Sie?«, fragte ihre Gegenüber. Lea sah auf, realisierte, dass sie laut gedacht haben musste, schluckte und wiederholte mit einem Räuspern ihren letzten Gedanken.
»Das klingt sehr traurig.«
Der Anflug eines Lächelns zierte die Lippen der Blonden. »Das Leben ist eine größtenteils sehr traurige Angelegenheit.«
Lea schüttelte den Kopf und wollte sich gleichzeitig die Kante des winzigen Zugtisches zwischen ihnen gegen die Stirn schlagen. Wahrscheinlich lag es daran, dass Frau Löwenberger so schlecht über Noel gesprochen hatte, dass sie es notwendig fand, ihr zu widersprechen. Sie wusste es nicht und wollte sich gleichzeitig aufhalten und anfeuern.
Mit einem weiteren Atemzug sagte sie: »Das meine ich nicht. Sondern«, dabei sah sie der anderen endlich in die Augen, »wie sehr diese Männer Sie verletzt haben müssen, dass die Welt für sie so ein schlechter Ort ist.«
Da schien es Frau Löwenberger das erste Mal die Sprache zu verschlagen. Zumindest für einen kurzen Moment. Sie setzte schon zum Gegenargument an, doch Lea kam ihr zuvor.
»Meine Beziehung ist nicht so, wie Sie denken. Wir unterstützen uns, wo wir können, und keiner ordnet sich irgendwem unter. Natürlich ist nicht immer alles reibungslos, aber die Basis stimmt. Und das macht meine Beziehung perfekt, so wie sie ist, und ich … wünschte, Ihre wären das auch gewesen.«
»Ich … «, Edith Löwenberger stockte, schluckte und endete schließlich mit: »Und was ist diese Basis?«
Leas Atmung ging schnell, so aufgeregt war sie.
Vertrauen
, wollte sie sagen.
Und Respekt, Wertschätzung, Fürsorge. Liebe.
Aber wo war das alles inden letzten Tagen gewesen?
»Das lässt sich schwer in Worte fassen«, sagte sie schließlich und blickte wieder aus dem Fenster. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Frau Löwenberger sie musterte, um dann aus der Handtasche einen Bogen Papier zu ziehen. Lea zupfte an den Spitzen ihrer Haare. Nicht nur, dass sie ihrer Chefin über den Mund gefahren war, auch hatte sie diese große Rede über gegenseitige Unterstützung geschwungen. Sie zögerte nur noch einen kleinen Moment, doch ehe die Hummeln in ihrem Hintern die Größe von Straußeneiern annehmen konnten, entschuldigte sie sich und stand auf.
Mit immer noch zitternden Fingern holte sie ihr Handy aus der Jackentasche und wählte hastig die Nummer ihrer Wohnung. Betend, dass Noel schon wieder dort angekommen sein und abnehmen möge, lief sie im Abschnitt der Türen, außerhalb der Sichtweite ihrer Chefin, hin und her. Die Augen zugekniffen fing sie an, von fünfzig runterzuzählen.
»Bei Lea Wegener, Noel Clarke am Apparat.« Lea hätte am liebsten ein bisschen geweint, so erleichtert lächelte sie.
»Noel, ich bin’s Lea. Ich … «
»Lea!«, rief er wie vom Donner gerührt. »Ist alles in Ordnung? Stimmt was nicht?«
»Nein, nein, alles in Ordnung, das heißt … also, ich rufe an, weil ich … «
Raus jetzt damit
, feuerte sie sich an. »Es tut mir leid, dass ich so sauer war wegen deines Jobs. I-ich möchte dich unterstützen.«
Noel wartete einen Moment und Lea ahnte schon, dass er seine Frage gleich nochmal wiederholen würde.
»Und ja, mir geht es gut. Du musst auch gar nichts wirklich dazu sagen, ich wollte wirklich nur anrufen, um dir das zu … «
»Danke, Lea«, unterbrach er sie. »Ich bin so froh! Mein Gott, ich hab schon gedacht, dir ist sonst was passiert! Mein armes Herz!«
Er lachte ein wenig und Lea stimmte leise mit ein. »Ich dachte, du hast gar keins.«
»Du weißt doch, für dich mache ich alles möglich.«
Sie musste nur die Augen schließen und schon sah sie sein Gesicht mit den Grübchen und den leuchtenden Augen.
»Ich hab Angst«, flüsterte sie.
»Ich weiß.« Er wirkte nicht überrascht. »Aber es wird alles klappen. Du musst da durch, das ist etwas ganz für dich alleine. Aber ich bin trotzdem für dich da.«
»Danke«, sagte Lea leise. Er schien sie so viel besser zu verstehen, als sie gedacht hatte. »Ich hoffe, die Woche läuft gut.«
»Alles wird gut, es ist nur eine Woche.«
»Aber diese Woche wird sicher ganz lang werden!«
»Dann ruf mich an. Ruf an, wann immer du Angst oder Sorgen hast. Oder mich vermisst.« Das letzte sagte er ganz weich.
»Aber du musst doch arbeiten.«
»Dann rufe ich dich zurück. Ich unterstütze dich.«
»I-ich dich auch.«
»Ruf mich an, wenn ihr angekommen seid. Du kannst auch in der Filiale
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