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Dezembergeheimnis

Dezembergeheimnis

Titel: Dezembergeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Richter
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aufgab und sich mit Migräne entschuldigte.
    Sie war undankbar. Sie bekam eine Hand gereicht und drehte sich einfach weg.
    Im Zimmer legte sie sich aufs Bett und starrte die Wand an. In ihrem Oberkörper hatte sich ein Ziehen breit gemacht; wie Heißhunger, nur anders. Es war ein Sehnen. Es tat weh.
    Mit einem Seufzen drehte sie sich um und fischte das Telefon aus der Handtasche, die sie vor das Bett geworfen hatte. Nur wenige Sekunden später beantwortete Sally den Anruf.
    »Lea, bist du gut angekommen? Hättest dich ja ruhig mal eher melden können!«
    Lea entschuldigte sich artig und berichtete von den ersten beiden Tagen.
    »Wie jetzt?«, hakte Sally nach. »Du sitzt alleine in deinem Zimmer? Bist du krank?«
    »Migräne?«
    »Ts, seit wann hast du denn Migräne? Du bist doch nicht etwa wieder zu schüchtern?«
    »Nein, das ist es nicht! Ich bin nur müde und weiß nicht so recht, was ich sagen soll.« Leas Verteidigung klang sogar in ihren Ohren lahm.
    »Dann hörst du eben zu. Deswegen bist du doch hingefahren: Um zu lernen. Oder nicht?«
    »Doch, doch   … «
    »Nicht doch, doch. Samstag hast du dich doch noch so drauf gefreut.«
    »Ich weiß nur eben nie, was ich sagen soll. Ich weiß doch über dieses ganze Bibliothekszeug nichts. Ich sitze echt nur daneben und gucke doof in der Gegend rum.«
    »Lea, du arbeitest seit Jahren da und bist doch nicht dumm. Tu doch nicht so, als wäre das alles völlig fremd. Du kannst doch nicht wie ein eingeschüchtertes Rehkitz am Tisch sitzen und drauf warten, dass die Welt zu dir kommt. Dir wurde schon hochgeholfen, die Treppe musst du aber schon alleine gehen.«
    »Ja, ich weiß ja   … es ist nur   … ach, ich weiß auch nicht. Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt alles noch will.«
    »Ob du was willst?«
    »Na   … schreiben.«
    »Hä?« Lea hatte Sally selten so streng erlebt und begann, an ihren Haaren rum zu zupfen. »Aber du hast doch schon immer geschrieben? Wie kannst du dir plötzlich nicht mehr sicher sein, ob du schreiben willst?«
    »Menschen ändern sich   … «
    »Ja schon, aber du willst nicht mehr schreiben? Langsam mache ich mir wirklich Sorgen, ob du krank bist. Das gehört doch zu dir wie der Henkel an die Tasse.«
    »Ich habe schon ganz lange nichts mehr zu Papier gebracht«, gestand Lea leise.
    Sally schwieg für einen Moment. Schließlich sagte sie ruhig: »Manchmal ist in unseren Leben einfach nicht genug Platz für das, was wir wirklich gerne machen. Aber das heißt doch nicht, dass es nicht mehr zu uns gehört.«
    »Aber vielleicht hat es nie zu mir gehört?«
    »Du willst mir also sagen, dass diese Geschichten nicht von dir sind? Dass du nur aus Jux deine Superstelle im Verlag gekündigt hast? Dass du seitdem in kein Notizbuch mehr irgendwelche deiner fixen Ideen gekritzelt hast?«
    »Doch, das hab ich schon   … «
    »Siehst du?«, sagte Sally. »Nur, weil wir unseren Platz nicht immer sehen, heißt es nicht, dass er nicht da ist.«
    Lea räusperte sich. »Gibt’s was Neues von Paul?«
    »Er schreibt immer noch jeden Tag. Oder ruft an oder hinterlässt ’ne Nachricht. Gibt einfach nicht auf der Kerl.«
    »Wie wär’s, wenn du ihn mal erlöst?«
    Sally seufzte.
    »Ich mein’s ernst: Paul ist ein guter Mensch. Und ihr harmoniert zusammen. Hör auf, aus Angst etwas ganz Tolles wegzuwerfen!«
    »Schimpf nicht mit mir! Du bist diejenige, die in Zürich lieber allein im Hotelzimmer sitzt, als zu versuchen, irgendwelche Kontakte zu schließen.« Hätte sie vor ihr gestanden, hätte Sally ihr sicher die Zunge rausgesteckt. Doch dann seufzte sie noch einmal. »Ich schlafe noch mal drüber. Vielleicht hast du ja recht.«
    »Ich habe immer recht.«
    »Mhm, vor allem beim Thema ablenken. Das Recht hast du quasi gepachtet. Versprich mir, dass du morgen mehr bei der Sache bist. Dann melde ich mich vielleicht auch bei Paul. Vielleicht.«
    »Okay. Versprochen.«
    »Gut. Und wie geht’s Noel? Telefoniert ihr? Kommt er alleine klar?«
    »Ja, alles bestens«, log Lea.
    Diese Nacht schlief sie noch schlechter.
    Fünfzehn Minuten brauchte Lea am nächsten Morgen, um ihre Haare zu überreden, sich halbwegs ordentlich zusammenbinden zu lassen. Beim Frühstück fiel ihr beinahe das Gesicht in die Müslischüssel. Auf dem Tagesprogramm standen Vorträge nur für die Vertreter der Bibliotheken – die Verlage waren Donnerstag an der Reihe. Daher führte ihr und Frau Löwenbergers Weg in das Hotel, in dem die Tagungen stattfanden und verschiedene

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