Dezembergeheimnis
zögerlich.
»Gute Wahl«, lobte sie. Ohne große Worte erhoben sie sich und verließen wenig später die Wohnung. Als Lea ins Treppenhaus trat, folgte Noel ihr und zog die Tür hinter sich zu. Er vergaß wirklich nichts.
Das bewies er auch keine dreißig Sekunden später ein weiteres Mal, denn anstatt die Treppen ganz normal hinunter zu steigen, krümmte er den Rücken und drückte sich an die Wand. Verwirrt sah Lea ihm dabei zu, wie er in dieser geduckten Haltung fast geräuschlos die Stufen abwärts schlich.
»Ähm, Noel? Was wird das?«
»Es darf uns doch keiner sehen«, flüsterte er. Es folgte eine klatschende Hand gegen Leas Stirn, ehe sie loslachte. Das war so … süß!
»Das war am Sonntag was anderes. Du kannst normal laufen!«
»Oh«, machte er und richtete sich sofort wieder auf und sie beruhigte sich.
»Das war irgendwie … nett von dir, danke«, sagte sie leise, immer noch grinsend. Er räusperte sich bloß und erwiderte nichts darauf, doch ein Blick in sein Gesicht verriet, dass ihm das furchtbar peinlich war. Ihre Augen blieben für einen Moment an seinen Zügen hängen, hatte sie diese Mimik doch noch nie bei ihm gesehen. Es war ein ungewohnter Anblick, aber er wirkte dadurch nur noch attraktiver. Seltsamer Kerl, wie machte er das?
Als sie an ihr Auto herantraten, ging er plötzlich einen Schritt schneller als Lea, um ihr die Fahrertür zu öffnen.
»Ähm, danke«, sagte sie erstaunt. Er lächelte und bedeutete ihr, einzusteigen. Kaum war er auf seinen Platz geschlüpft, schnallte er sich an. »Woher weißt du das?«
»Was?«
»Das mit dem Tür aufhalten.«
»Ist das was Besonderes?«
»Ähm, ja, schon. Es ist sehr höflich, wenn ein Mann einer Frau die Tür aufhält.«
Noel zuckte mit den Schultern. »Ich fand es nett, als du es für mich getan hast.«
Schmunzelnd blinzelte sie und schüttelte kurz den Kopf, ehe sie den Motor startete.
»Magst du es, wenn man dir die Tür aufhält?«, erkundigte er sich, scheinbar ganz beiläufig, als sie auf die Hauptstraße bog.
Lea lachte. »Sicher, das mag jede Frau.«
»Warum?«
»Wie du gerade gesagt hast: Es ist eine sehr nette Geste. Es gibt einer Frau das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.«
»Du bist etwas Besonderes für mich«, sagte er zärtlich.
Sie schluckte den großen Kloß in ihrem Hals hinunter und antwortete leise: »Ich weiß.«
Es gab schließlich kein Gesprächsthema, bei dem er es nicht schaffte, das zu betonen. Sie hoffte nur, dass sie es irgendwann annehmen könnte. Und genau deswegen verfluchte sie dieses Kribbeln in ihrem Inneren, was seit geraumer Zeit nicht mehr verschwinden wollte, aber viel zu zeitig kam.
Zielgerichtet fuhr sie in Richtung der Läden, wo sie fündig werden sollten. Sie hatte sich extra von Sally ein paar Adressen nennen lassen, da die sehr viel mehr Ahnung von Männerklamotten hatte als Noel und Lea zusammen. Es hatte letzte Nacht glücklicherweise nicht geschneit und Lea konnte nur hoffen, dass Noel nirgendwo sonst mit irgendeiner Flüssigkeit in Kontakt kam. Sie war unheimlich erleichtert, dass dieser Fakt so früh wie möglich in das Gespräch mit eingeflossen war, denn sie konnte sich durchaus zutrauen, ihm aus Versehen ein Getränk über den Latz zu schütten. Doch nun würde sie in seiner Gegenwart künftig noch vorsichtiger sein. Die ganze Außenwelt wirkte mit einem Male wie ein einziger Gefahrenpool für ihn und Lea verfluchte Weihnachten dafür, dass es ausgerechnet im Winter stattfinden musste. Blöd durchdacht, wirklich überhaupt nicht durchdacht!
»Welche ist heute deine Lieblingsfarbe?«, wollte Noel aus heiterem Himmel wissen.
»Oh, ähm … « Lea geriet ins Stottern. War ja zu erwarten gewesen, dass er ihre Antwort bezüglich dieser Frage für bare Münze nahm. »Orange, denke ich.«
»Warum?«
»Ich freue mich, dir heute etwas Wichtiges von mir zeigen zu können«, antwortete sie lächelnd. »Darauf freue ich mich schon den ganzen Tag, denn das, was wir nach der Kleidung machen, macht mir unglaublich viel Spaß! Und das ist irgendwie … orange!«
»Das klingt fantastisch! Was zeigst du mir?«
»Einen Supermarkt.« Dabei grinste sie geheimnisvoll, sich völlig bewusst, dass S nach P kam. Noel nickte lediglich.
Wenige Minuten später parkte sie direkt vor dem Laden, den Sally ihr besonders ans Herz gelegt hatte. Noel stieg in seinem kurzärmeligen T-Shirt aus dem Auto und sah sich um. Skeptisch betrachtete Lea ihn, während sie mit ihrem dicken Parka an
Weitere Kostenlose Bücher