Dezembergeheimnis
er den Kopf hob und sie musterte. Seine Hand umfasste dabei ihre, sein Daumen fuhr leicht über ihre Finger. In seinen Augen lag so viel Gefühl, doch sie fand dafür keinen Namen. Es war keine Liebe, dafür fehlte noch etwas, aber Zuneigung war injedem Fall dabei. Gemischt mit Entschlossenheit und … Angst.
An diesen Augenblick würde sie sich immer erinnern, denn in dieser Sekunde passierte es das erste Mal.
Ruckartig entzog Noel ihr seine Hand und drückte sie sich stöhnend an die Brust. Sein Gesicht war von einem Wimpernschlag zum nächsten schmerzverzerrt, aber er drehte sich leicht von ihr weg, damit sie es nicht sehen konnte.
»Noel?« Lea hörte nicht nur Sorge, sondern leichte Panik in ihrer Stimme und eilig griff sie an seine Schulter, um ihn wieder zu sich zu wenden. Er leistete nur schwachen Widerstand, doch als er sie schlussendlich wieder ansah, lächelte er matt.
»Alles in Ordnung. Nichts passiert«, versicherte er, doch seine Augenbrauen waren immer noch vor Anspannung zusammengezogen.
»Bist du sicher? Geht’s dir gut? Was war das gerade?« Sie griff nach seiner Hand, um sie näher zu betrachten. Es war alles so schnell passiert, dass sie nicht sicher war, ob sie es sich eventuell nur eingebildet hatte; doch die verkrampfte Haltung ihres Gegenübers sprach gegen eine Sinnestäuschung. »Ich weiß es nicht. Plötzlich … war da überall Schmerz … Aber es ist schon wieder weg.« Er atmete einmal tief durch und entspannte sich langsam wieder.
Schmerz? Aber woher …? Ängstlich musterte sie seine Finger und bewegte sein Gelenk sacht hin und her.
»Tut das weh?« Besorgt sah sie ihm in die Augen. Als sie erkannte, dass Noel sie hingegen inzwischen schon amüsiert beobachtete, erstarrte sie in der Bewegung. Er drehte seine Hand so, dass er damit nach ihrer greifen konnte.
»Nein, es ist alles okay. Wirklich. Es ist so schnell gegangen, wie es gekommen ist.« Dabei lächelte er, sodass sich kleine Falten um seine Augen bildeten, und Lea kam sich furchtbar dumm vor, einfach so seine Finger gepackt zu haben. Zweimal. Doch da sie nicht unhöflich sein und ihm gerade nach diesem unangenehmen Gespräch nicht ein weiteres Mal vor den Kopf stoßen wollte, ließ sie ihre Hand wo sie war.
»Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht.«
»Es hat auch wirklich wehgetan«, gab er zu.
»Immer noch?« Sofort schwang die Sorge wieder bei ihrer Frage mit und Lea hätte sich am liebsten selbst auf die Zunge gebissen. Noel verdrehte nur schmunzelnd die Augen, antwortete aber kein weiteres Mal darauf.
»Beantworte mir lieber eine deiner Fragen von vorhin«, forderte er stattdessen. »Welche
ist
deine Lieblingsfarbe?«
Es war ja klar gewesen, dass das kommen musste. Und natürlich suchte er sich ausgerechnet die Sache aus, auf die sie keine eindeutige Antwort geben konnte.
»Ehrlich gesagt wechselt das jeden Tag … «
»Welche ist es heute?«
Schüchtern sah sie zurück zu ihm und stotterte: »Ähm … braun, glaube ich.«
Er nickte und lächelte.
»Lea, hör zu: Ich bin noch nicht dein Traummann, das weiß ich. Aber ich habe dir versprochen, es zu werden, koste es, was es wolle.«
Überrascht sah Lea ihn an; sie hatte gedacht, das Thema wäre vorerst begraben worden, aber anscheinend hatte sie sich geirrt.
»Ich kann dir deine Fragen noch nicht beantworten und ich möchte nicht lügen. Ich weiß, dass du Lügen nicht magst«, dabei musste er schmunzeln, »Aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um der Mann zu werden, den du dir gewünscht hast.«
Lea nickte schwach und wusste für einen Moment nicht, ob das überhaupt möglich war oder ob sie sich vielleicht einfach zickig und überzogen benahm und lieber mit dem zufrieden sein sollte, was ihr durch Noel ohnehin geboten wurde. War sie undankbar?
»Kannst du mir bis dahin die Möglichkeit geben, dich ein bisschen kennenzulernen?«
Wieder nickte sie. Es war so typisch für ihn – wenn man bei einer charakterlosen Person von so etwas wie
typisch
reden konnte – dass er sofort einwilligte, sich für sie zu ändern.
»Wunderbar!« Er lachte und halb rechnete sie bereits damit, sich nun einem ganzen Hagelsturm von Fragen stellen zu müssen, doch Noel grinste nur. »Zeigst du mir jetzt, was Fernsehen ist?«
Begeistert, dass sie die ernsten Sachen nun endgültig hinter sich hatten, erhob sich Lea und holte die Fernbedienung. Geduldig erklärte sie jeden Knopf und übte solange mit ihm, bis er den Fernseher selbst ein- und
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