Dezembergeheimnis
mehr so mir nichts dir nichts zu glauben. Oder an die wahre, nie sterbende Liebe, die so viele ihrer Bücher ihr früher Nacht auf Nacht erzählt hatten. Noel konnteeinem wirklich leidtun, dass er ausgerechnet an jemanden wie sie geraten musste.
»Das freut mich!«, unterbrach dieser jedoch fröhlich ihre düsteren Gedanken. »Endlich weiß ich wieder etwas mehr über dich!«
Lea sah ihn an und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, aber für einen Moment fühlte sie sich plötzlich in die Person zurückversetzt, die sie vor acht Jahren gewesen war. Er ordnete dieses Buch ihrem Charakter zu; der Lea, die sie einmal gewesen war und von der vielleicht immer noch ein wenig in ihr steckte. Die nicht nur in ihrer hoffnungslosen, tristen Welt vor sich hin lebte.
Bevor er irgendetwas sagen konnte, holte sie tief Luft und fragte: »Wie war dein Tag?«
Das war schließlich alles, worum sich ihrer gedreht hatte.
»Aufschlussreich«, antwortete er knapp.
»Hast du irgendwas Interessantes gefunden?« Sie versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen. Offensichtlich hatte sie damit keinen Erfolg, denn er grinste vielsagend.
»Ja, durchaus.«
»Möchtest du mich eventuell daran teilhaben lassen?«
»Ich würde vorher gerne selbst noch ein wenig darüber herausfinden, wenn das okay ist?« Sein Blick bohrte sich intensiv in ihren und in einem Moment wie diesem spürte sie, dass sie diesem Mann nicht gewachsen war. Ohne, dass sie es wollte, fand sie ihn mit diesem konzentrierten Ausdruck einfach schön. So schön, dass sie für zwei, drei Sekunden vergaß, über den Gesprächsstrang weiter nachzudenken. Benommen nickte sie, riss sich schließlich von seinen Augen los und verfluchte sich im gleichen Augenblick. Sie war sich um seine Wirkung auf ihre Konzentrationsfähigkeit doch bewusst, weshalb setzte sie sich dann immer wieder der direkten Gefahr aus? Lag es daran, dass ihre Zweisamkeit langsam aber stetig an Vertrautheit gewann? Nein, nein, nein, das konnte nicht sein. Dafür war bisher viel zu wenig Zeit vergangen. Ausgeschlossen.
Um den verwirrenden Gedanken Einhalt zu gebieten, lenkte sie sich und Noel den Rest des Abends damit ab, ihm neue technische Geräte wie Telefon und Videorekorder zu erklären. Außerdem starteten sie eine kleine Buchbesprechung, in der Lea sich die neue Version von
Sara, die kleine Prinzessin
aus dem Regal holte und sie zum ersten Mal so weit aufklappte, dass der Buchrücken knickte.
Am nächsten Tag hatte sie sich während der Arbeitszeit einen besonderen Plan für ihren gemeinsamen Freitagnachmittag überlegt.
»Wir unternehmen heute etwas! Wir gehen raus!«, verkündete sie bedeutungsvoll, als sie die Wohnung betrat. Noel sah überrascht auf.
»Wir gehen …?«
»In den Zoo!«
Seine Augen weiteten sich mit einem Schlag.
»Es sei denn, du willst nicht?«, zog Lea den Vorschlag mit erschrockener Miene zurück.
»Doch! Doch, natürlich will ich!«, erwiderte er aufgedreht, sprang hoch und lief ihr entgegen.
»Ich dachte, so könntest du eventuell dein Lieblingstier finden … «, erklärte Lea noch verlegen, auch wenn das anscheinend gar nicht nötig war. Noel war Feuer und Flamme. Innerhalb der nächsten halben Stunde hatte er sie zum Auto gedrängt – dabei immer wohl darauf bedacht, ihr alle Türen aufzuhalten – und sie hatte gerade noch genug Zeit bekommen, ihm noch etwas Teig anzurühren und sich umzuziehen.
Die ganze Fahrt über bedachte er sie mit einem stummen Lächeln und als sie später gemeinsam in der Schlange für die Eintrittskarten anstanden, beugte er sich zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: »Danke, dass du das für mich machst. Das bedeutet mir sehr viel.«
Sie konnte es nicht verhindern, dass ihr Herz aufgrund seiner Nähe und der Worte schneller schlug, also murmelte sie nur knapp: »Wir werden sehen, ob es uns was bringt.«
»Ah, hier ist ein Plan!«, rief er, kaum dass sie den Eingang hinter sich gelassen hatten. An einer Tafel auf der rechten Seite waren die einzelnen Gehege abgebildet, zusammen mit verschiedenen Routenvorschlägen. »Was möchtest du als Erstes sehen?«
»Lass uns doch einfach einmal durchlaufen. Wenn wir den lila Pfeilen folgen, dürften wir überall vorbei kommen.« Auffordernd sah sie ihn an, er nickte zustimmend und nebeneinander herlaufend bogen sie an der ersten Kreuzung rechts ab.
Das Gelände war in mehrere Bereiche eingeteilt, größtenteils nach den Gebieten der Erde, aus denen die vorhandenen Lebewesen
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