Dezembergeheimnis
reagieren konnte, plapperte Sally auch schon weiter. »Ohne vollständigen Namen finde ich nichts, gar nichts.«
»W-was? Was willst du denn finden?« Lea blinzelte hektisch und strich sich die langen Haare aus dem Gesicht. Woher sollte Noel plötzlich einen Nachnamen haben?
Ihre Freundin holte in der Leitung tief Luft, ehe sie sehr langsam erklärte: »Ich habe dir doch versprochen, dass ich mich erkundige, wer er ist. Also, wie ist sein Nachname? Wie alt ist er? Ich brauche schon ein paar grundlegende Daten, ansonsten werde ich hier nie fertig.«
Leas Gedanken rasten mit einer Meile pro Sekunde. Es war ja eigentlich zu erwarten gewesen, dass Sally die Kuchengeschichte nicht schluckte, selbst wenn sie ihnen geholfen hatte. Trotzdem hatte Lea irgendwie auf ein kleines Wunder gehofft – aber offenbar war ein Wunder pro Person schon mehr als genug. »Du, wir haben dir das doch erklärt … «
Sally lachte ungläubig. »Du hast doch nicht im Ernst gedacht, dass ich dem das abkaufe, oder?« Nachdem Lea nichts erwiderte, japste sie auf. »Ich fasse es nicht!
Du
glaubst ihm, hab ich Recht?«
»Na ja … «, setzte Lea unsicher an, denn was sollte sie darauf entgegnen? Sie hatte sich mit dieser Wahrheit irgendwie … angefreundet.
»Nein, so etwas passiert im Leben nicht, Wunschzettel hin oder her, so was gibt’s einfach nicht! Ich weiß nicht,
wie
dieser Kerl nackt in deine Wohnung gekommen ist, aber ich werde es herausfinden!«
»Sally … « Wie sollte Lea ihr deutlich machen, dass sie sich damit in eine unendliche Geschichte stürzte? Sie war sich hundertprozentig sicher, dass es absolut nichts über Noel herauszufinden gab. Wie auch? Ging man vom Gesetz aus, existierte er ja nicht einmal.
»Also, was weißt du?«
»Ähm, er ist sechsundzwanzig«, antwortete sie, ohne vorher darüber nachzudenken.
»Und sein Nachname? Den hast du doch inzwischen rausbekommen, oder?«
»Ich, ich … « Ihr Blick huschte umher und fiel auf den Bücherstapel neben ihr.
»Clarke!«, stieß sie hervor. »Er heißt Noel Clarke.«
»Clarke?«, wiederholte Sally. »Das klingt aber nicht gerade deutsch.«
»Äh … «
»Egal, wir haben seinen Nachnamen, wunderbar«, jubilierte Sally, während Lea sich die Hand vor die Stirn schlug. Ernsthaft, ein
irischer Schriftsteller
? »Dann klick ich mich gleich durchs Netz und melde mich sofort bei dir, wenn ich was habe. Wie schreibt man Clarke?«
»Mit C am Anfang«, erwiderte Lea schwach.
»Alles klar. Und ich wollte noch mit dir über Silvester reden. Frau Löwenberger hat mir eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, dass wir beide wieder zu ihrer Party eingeladen sind – mit Begleitperson. Hast du meine Karten?«
»Ja, vier Stück. Aber ich hatte noch nicht entschieden, ob ich gehen will.«
»Papperlapapp. Natürlich gehen wir hin. Paul hat sogar schon diesen netten Kollegen bei sich in der Firma gefragt, ob er dich nicht begleiten möchte.«
»Halt, Stopp! Sally, du tust es schon wieder! Du willst mich ohne meine Zustimmung verkuppeln!«
»Du kannst mir das nicht vorwerfen, ich will nur dein Bestes.« Lea sah Sallys Schmollmund regelrecht vor sich.
»Wenn mich überhaupt jemand begleitet, dann ist das Noel.«
»Aber … bist du sicher? Lass mich ihn wenigstens vorher durchleuchten … «
Lea schnaubte. »Kannst du ja machen, aber du wirst nichts finden.«
»Mhm.« Da schien ihre Freundin noch nicht überzeugt zu sein. »Darüber müssen wir noch mal reden. Ich müsste dann auch erst noch mal mit Paul und der mit seinem Kollegen–«
»Nein, Sally, meine Entscheidung steht. Entweder mit Noel oder ich bleibe zu Hause.«
»Wir reden morgen noch mal drüber, ja? Ich wollte vorbeikommen und dir Kleider mitbringen.«
Lea seufzte, stimmte aber aus verschiedenen Gründen zu. Erstens wusste sie, dass sie, sollte sie hingehen, ohne Sallys Leihgarderobe nicht mal im Ansatz etwas Passendes zum Anziehen hätte und zweitens hoffte sie, dass sie ihre beste Freundin vielleicht doch noch irgendwie von Noels guten Absichten überzeugen könnte. Vielleicht müssten die beiden nur mehr Zeit miteinander verbringen?
Wenige Sekunden später war das Telefonat beendet und Lea blieb alleine mit ihren Sorgen zurück.
Konnte sie Noel überhaupt zu einer solchen Großveranstaltung mitnehmen? Wäre es nicht viel sicherer, von vornherein in der Wohnung zu bleiben? Fest stand für sie aber in jedem Fall, dass sie Silvester mit ihm feiern würde. Offiziell
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