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Dezembergeheimnis

Dezembergeheimnis

Titel: Dezembergeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Richter
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im Allgemeinen ist es ein Ausdruck der Zuneigung.«
    »Zuneigung«, wiederholte Noel wie wenige Stunden vorher im Auto, was Lea sofort veranlasste, diese Definition zu vertiefen, nur für den Fall, dass er sich plötzlich dazu berufen fühlte, sie zu küssen. Dafür war er noch nicht bereit. Dafür war
sie
noch nicht bereit.
    »Also, zum einen wäre da der Handkuss. Er ist eine Art der höflichen Begrüßung von einem Mann an eine Frau. Aber das macht heutzutage keiner mehr. Und dann der Wangenkuss   … Er steht für Freundschaft.«
    »Freundschaft.«
    »Dann wäre da noch der Kuss auf die Stirn. Er heißt so viel wie Verehrung.« Sie zögerte, unsicher, ob und wie sie fortfahren sollte. Ihr fiel nur noch ein weiterer Kuss ein – verflucht sollte ihr bemitleidenswerter Erfahrungsstand sein – und bei dem fürchtete sie am meisten, sich in eine prekäre Lage zu bringen.
    »Und dann, der häufigste: Der Kuss auf den Mund. Der bedeutet Liebe.« Sie flüsterte den letzten Satz fast.
    Weder Noel noch sie sagten in den nächsten Minuten ein Wort. Stattdessen standen sie in ihrer stillen Umarmung, mit dieser seltsamen, prickelnden Atmosphäre, und starrten auf die vereinzelten weiteren Silvesterknaller.
    Lea war froh, dass Noel vorerst nicht weiter nachhakte und auch keine Intentionen zeigte, sein neu erworbenes Wissen umgehend in die Tat umzusetzen. Stattdessen war er zuvorkommend wie immer und schien einfach ihre Anwesenheit zu genießen.
    Eher, als sie es erwarteten, wurden die letzten fünf Minuten im alten Jahr eingeläutet. Sally und Paul stießen in Wintermänteln zu ihnen und ihre beste Freundin zog Lea mit wässrigen Augen in die Arme. Sie wurde an Silvester immer sentimental, deswegen lächelte Lea nur, als Sally ihr ins Ohr wisperte, wie lieb sie sie hätte und wie dankbar sie für das vergangene Jahr wäre. Exakt diesen Satz sagte sie jedes Jahr und jedes Mal würde Lea sie lediglich fest umarmen und ihr einen Kuss auf die Schläfe drücken. Alle vier unterhielten sich kurz über die Party, bis schließlich der Countdown angezählt wurde. Sally sah grinsend zu Paul hinauf, kleine Atemwölkchen umgaben ihre Köpfe.
    »Fünf, vier«, zählten die Leute um sie herum. Lea griff nach Noels Hand und strahlte ihn an. Eine Welle von Zufriedenheit und Zuversicht durchströmte sie, und sie begann mitzuzählen.
    »Drei.«
    Noel stieg ebenfalls mit ein.
    »Zwei, eins! Frohes neues Jahr!«, riefen alle zusammen. Die Menschen fielen sich in die Arme, jubelten und klatschten. Hinter ihnen startete ein ohrenbetäubender Lärm aus Feuerwerk, während die Anlage »Auld Lang Syne« trällerte und Noel mit beiden Händen Leas Gesicht umrahmte und ihreinen zarten Kuss auf die Stirn drückte.

Kapitel 10
    »Also, noch mal: Kartoffelsalat?«
    »Im Kofferraum.«
    »Dein Kuchenteig?«
    »Hab ich hier auf dem Schoß.«
    »Du bist angezogen? Und angeschnallt? Und fühlst dich vorbereitet?«
    »Ja, ja und ja.« Noel saß auf dem Beifahrersitz und klang immer noch ganz ruhig.
    »Wir haben alles durchgesprochen? Noch mal: Du isst nichts, weil du   … «
    »Weil ich auf einer besonderen Diät bin«, beendete er den Satz. »Lea, es wird alles gut.«
    »Die Weihnachtsgeschenke? Oh Gott, die hab ich auf der Kommode liegen lassen!« Ohne dass die Ampel vor ihr auf Rot gesprungen war, wäre sie beinahe volle Banane auf die Bremse gestiegen.
    »Lea, beruhige dich!« Mit einem Mal klang ihr Nebenan nicht mehr so geduldig. »Liegt alles hinten. Es ist alles da.«
    »Entschuldige«, seufzte sie, während sie sich aufgewühlt durch die Haare fuhr.
    Genau, Lea
, schimpfte sie sofort innerlich mit sich.
Verknote ruhig deine Zotteln, das Chaos ist ja nicht schon so perfekt.
    »Warum bist du so besorgt?«, fragte Noel und es war deutlich zu hören, dass ihre Unsicherheit langsam auf ihn abfärbte.
    »Besorgt? Ich bin doch nicht besorgt. Maximal ein bisschen nervös«, winkte sie ab, doch die Falten zwischen ihren Augenbrauen sagten da etwas anderes und es konnte nicht mehr lang dauern, bis ihr die ersten Schweißperlen auf der Stirn ständen.
    »Ist es wegen   …
mir

    »Nein! Gar nicht. Wenn, dann ist es wegen meiner Mutter.«
    »Warum? Gibt es irgendwelche Probleme?«
    Lea seufzte tief – irgendwie tat sie das oft in letzter Zeit. Aber wie sollte sie ihn darauf vorbereiten, was ihn erwarten würde; am besten ohne das Bild einer Rabenmutter zu zeichnen?
    »Meine Mutter ist ein sehr   … spontaner und kreativer Mensch – also ganz anders

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