Dezembergeheimnis
den Schuh. Mit einer kleinen Drehung nach links drückte er sich gegen sie und sie folgte ihm. Und plötzlich tanzten sie.
»Woher kannst du das?«, flüsterte sie, immer befürchtend, beim nächsten Schritt das Parkett zu verfehlen, aber dafür seine Zehen zu erwischen.
Er schmunzelte leise, ehe er antwortete. »Du glaubst gar nicht, was einem ein Fernseher alles beibringen kann.«
»Nein, ich befürchte, das kann ich wirklich nicht glauben«, antwortete sie, bis sie sich ein leises Lachen nicht mehr verkneifen konnte, ihre Konzentration verlor und ihm gekonnt auf den Fuß stampfte. »Oh Gott, entschuldige bitte!«
Obwohl sie jammernd schon einen Abstandschritt nach hinten treten wollte, hielt er sie in einem eisernen Griff bei sich.
»Kein Problem«, winkte er ab, doch anstatt sie weiter zu führen, drückte er sie so nah an sich, dass ihnen nur ein leichtes Wiegen möglich war. »Wenn wir nicht laufen, kannst du auch nicht mehr daneben treten.«
Lea lächelte und erlaubte sich, sich an ihn zu lehnen. Ihre weichen Knie drohten zwar, unter ihr nachzugeben, aber darum konnte sie sich gerade nicht kümmern. Seine Wärme und sein Duft umgaben sie und sie fühlte sich geborgen und sicher und …
Der Bass wechselte, wurde schnell und poppig und ließ die beiden mit ihrem langsamen Hin- und Hergewackel vollkommen im Rhythmus zurück. Als Sally von der Seite zu ihnen herüber tanzte, ließ Noel Lea los, was diese nutzte, um in ihren gewohnten Sicherheitsabstand abzurücken.
»Jetzt kann die Party losgehen!«, schrie Sally ihnen über die laute Musik hinweg zu, während sie die Arme in die Luft warf und die Hüften zur Melodie schwingen ließ. Sich ein Lächeln auf die Lippen zwingend, begann Lea ebenfalls, in ihre unbeholfenen Tanzschritte zu verfallen, während Noel sie unbeweglich musterte.
»Was soll ich machen?«, fragte er, während er als Einziger in der Meute den Baumtanz mimte.
»Du musst dich zur Musik bewegen. Du kannst doch tanzen«, rief Lea überrascht zurück.
»Tut mir leid, ich kann nur das langsame, was wir eben gemacht haben … « Das war so typisch ihr Kuchenmann. Grinsend griff sie nach seiner Hand und sagte: »Ich kann keins von beidem.«
»Los, bewegt eure Knackpos!«, trällerte Sally dazwischen. Noel und Lea sahen sich in die Augen und lachten leicht, leisteten ihrem Aufruf jedoch Folge und gaben ihr Bestes, ihre Bewegungen nicht allzu blamabel ausfallen zu lassen.
Eine weitere Stunde später war die Tanzfläche brechend voll. Noel und Lea fielen nicht weiter auf, denn mittlerweile konnte sich nicht mal mehr Sally in einem Bewegungsradius größer als der eines Bierdeckels drehen.
»Wir sollten rausgehen«, rief Lea Noel zu. »Hier drin wird es zu feucht.«
»Auf die Terrasse?«, fragte er und deutete auf die Türen in der Glasfront. Sie lächelte bestätigend und er nickte. »Ich hole unsere Jacken.«
Er strich ihr ein letztes Mal mit der Hand über den Oberarm, hinterließ damit ein Kribbeln in ihrer Magengegend und verschwand. Lea bedeutete Sally, dass sie flüchten würden, und zwängte sich durch die Menschen. Noch bevor sie die Doppeltüren nach draußen erreicht hatte, stand Noel bereits wieder hinter ihr und hielt ihr den Mantel entgegen. Zusammen traten sie auf den hölzernen Boden der Veranda, wo ihnen sofort die klare Kälte der Nacht entgegenschlug. Fast alle Gäste schienen sich auf der Tanzfläche zu tummeln, denn mit ihnen befand sich nur noch eine Handvoll auf der Außenplattform.
Sie lehnten sich an das Geländer, als plötzlich ein verfrühter Silvesterknaller gezündet wurde und alleine durch den Himmel jagte. Noel zuckte rechts neben Lea erschrocken zurück, während er mit großen Augen die glitzernden Lichter betrachtete, die über ihnen verglühten.
»Ist das Feuerwerk?«, fragte er ehrfürchtig und Lea nickte.
»Ist es nicht wunderschön?«
»Ich habe davon gelesen. Aber ich hätte es mir nie so … laut vorgestellt.«
Lachend lehnte sie sich zurück und zog genießend die Luft ein. »Dann warte erst mal ab, bis es null Uhr schlägt und alle Menschen ihre Raketen zünden.«
Noel sagte nichts weiter dazu, sondern lächelte sie nur an, bis sie wieder beide an der Brüstung lehnten. Schulter an Schulter blickten sie auf die hellerleuchtete Stadt und genossen für ein paar Minuten einfach den Augenblick.
»Was macht deine Mutter heute?«, wollte er irgendwann leise wissen.
»Sie fliegt wohl mit Bernhard gerade zurück.«
»Mhm«, machte er.
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