Dezembergeheimnis
mit einem Mann unter einem Dach hatte leben können. Was hatte sich innerhalb eines Wochenendes geändert?
Ihr hatten diese Tage wirklich gefallen, allein weil die Stimmung so entspannt und gelöst gewesen war. Sie mochte ihr neues Spiel, denn sie konnte sich keine bessere Variante vorstellen, wie sich Noels Geschmack schneller ausprägen konnte. Und sie mochte auch, wie seine Hand ihren Arm immermal wieder wie zufällig gestreift hatte, oder das Lächeln, wenn sie eine Gemeinsamkeit entdeckt hatten.
Den ganzen Tag grübelte sie – wie ungewöhnlich – bis ein Telefonat mit Sally sie zurück in die Realität holte. Offensichtlich hatte sich bisher keine Ruhe zurück ins Paradies geschlichen, denn Sally schimpfte in einer Tour und hatte sogar, so viel wie Lea mitbekam, Paul vorerst aus der Wohnung ausquartiert. Lea versuchte zwar, ihr ins Gewissen zu reden, aber wenn sie jemand danach gefragt hätte, hätte sie das Problem nicht einmal in einem Satz zusammenfassen können. Ständig hörte sie nur Phrasen wie »kann nichts ernst nehmen«, »doch nicht auf ihn angewiesen« oder »unzuverlässig, verantwortungslos, unordentlich und einfach nur total bescheuert«.
»Meinst du nicht, dass du übertreibst? Vor einer Woche fandst du ihn doch auch noch nicht
total bescheuert
.«
»Lea, so geht das nicht, du musst auf meiner Seite stehen.«
»Okay.« Lea seufzte. »Auch wenn ich finde, dass du dir das Leben unnötig schwer machst.«
»Du hast gut reden«, widersprach ihr ihre Freundin. »Du hast dir ja den perfekten Mann aus dem Ofen gezogen.«
»Ich dachte, du glaubst die Geschichte nicht?«
»Jetzt lenk doch nicht immer vom Thema ab! Fakt ist, dass Paul Heller jetzt ganz schön reißen muss, wenn er will, dass das mit uns auch weiterhin funktioniert.«
»Ja.« Lea seufzte erneut. Eigentlich hatte sie angefangen, Paul zu mögen, und hätte nicht gedacht, dass er ein ebenso schnelles Ende finden würde wie Sallys Ex-Freunde. Klar war er ein anderes Kaliber als ihre früheren Typen, aber das konnte eigentlich nur ein Fortschritt sein. Und vor wenigen Tagen waren die beiden doch auch noch so verliebt gewesen … Lea hoffte, dass es sich nur um eine Phase handelte.
Sie hatte immerhin mit Noel auch gerade erst eine neue Phase eingeleitet, aber sie war mit dieser Entwicklung eigentlich sogar über alle Maßen zufrieden. Sollte sie etwa auch nur von so kurzer Dauer sein? Könnte sie eventuell schon vorbei sein, wenn sie heute nach Hause kam? Und schon war sie wieder in die Welt der Grübeleien abgetaucht und dementsprechend aufgeregt, bevor sie überhaupt bei ihrer Wohnung angekommen war. Als sie die Tür aufschloss, wusste sie deswegen nicht, ob ihr ungutes Gefühl nur eingebildet war oder wirklich etwas Seltsames in der Luft lag.
»Noel?«, rief sie. Keine Antwort. Stirnrunzelnd schob sie die Tür hinter sich zu und wiederholte seinen Namen dabei noch einmal lauter. Wieder keine Reaktion. »Ich bin wieder da.«
Als ihr daraufhin immer noch nichts anderes als Schweigen entgegenschlug, reagierte ihr Bauch mit innerlichen Vorwärtsrollen. Doch sie hielt sich zurück. Sie konnte die Sorge nicht abstellen, natürlich nicht, aber sie war drauf und dran, sie auf ein gesundes Maß einzuschränken. Noel wusste, was er tat; sie konnte ihm vertrauen. Er war auf dem besten Weg dahin, ein selbstständiger, selbstbestimmter Mann zu werden. Und nur, weil er sie gerade, aus welchen Gründen auch immer, nicht hörte, hieß das nicht sofort, dass etwas passiert war. Also hing sie die Jacke auf, streifte die Schuhe ab und ging ins Wohnzimmer.
Der Raum war leer und ruhig; maximal der Staub rieselte durch das Sonnenlicht, das durch die Fenster drang. Es war sofort klar, aber für noch mindestens zwei Minuten verdrängte Lea den Gedanken, dass es zu ruhig war.
Stattdessen schluckte sie den Kloß im Hals hinunter und setzte den Streifzug durch die Wohnung fort. Doch sie blieb erfolglos. Weder im Bad, im Schlafzimmer, noch hinter der Küchenzeile … Noel war nicht da.
Kapitel 15
Dieser Gedanke war einfach absurd, deswegen kontrollierte Lea zu allererst noch einmal jedes Zimmer der kleinen Wohnung, denn sie konnte sich nicht damit abfinden. Doch egal wie oft sie die Tür zum Schlafzimmer aufriss, es sprang weder ein Noel aus dem Schrank noch einer hinter dem Bett hervor und es versteckte sich auch niemand hinter dem Duschvorhang. Selbst im Backofen schaute sie nach, aber sie fand nichts. Nicht mal einen Kuchenkrümel.
Wo war
Weitere Kostenlose Bücher