Dezembergeheimnis
wollte nur, dass er wieder zurückkam.
Lea machte sich noch kleiner und vergrub das Gesicht in den Armen.
Bitte, lieber Weihnachtsmann
, flehte sie,
solltest du ihn mir wirklich geschickt haben, mach, dass es ihm gut geht und er wieder nach Hause kommt!
Und wie durch Zauberhand hörte sie in dieser Sekunde, wie ein Schlüssel in das Schloss der Wohnungstür gesteckt und aufgeschlossen wurde.
»Lea? Bist du da?«
Leas Blick flog zum Eingang, wo sie durch den Lichtschein des Hausflures eindeutig Noels große schlanke Gestalt und die strubbeligen Haare erkannte. Er schaltete das Licht an und sie musste geblendet die Augen zusammenkneifen.
»Du bist ja doch da! Lea, du wirst es nicht glauben, ich habe einen Job!« Er schloss die Tür, zog sich auf dem Weg zu ihr die Jacke aus und legte sie über einen der Barhocker. Erst als er vor ihr zum Stehen kam, schien er ihr aufgelöstes Gesicht zu bemerken und augenblicklich wich das breite Grinsen einem besorgten Stirnrunzeln. »Ist etwas passiert, geht’s dir gut? Warum hast du hier im Dunkeln gesessen?«
Lea wusste nicht, ob sie weinen, lachen oder ihn anschreien sollte. Er setzte sich neben sie und noch bevor er ihre Hand nehmen konnte – die Fingerschon danach ausgestreckt – entschied sie sich für letzteres. »Sag mal, bist du bescheuert? Wo zur Hölle bist du gewesen?«
»Du bist sauer, oder?« Er verzog den Mund und fuhr sich mit der Hand über den Nacken. »Aber das sind doch wirklich grandiose Neuigkeiten!«
Lea blieb der Mund offen stehen. Mit einem Ruck stand sie und ging um das Sofa herum; er war ihr im Moment viel zu nah. Sie merkte, wie es in ihr brodelte und dass sie die Arme verschränken musste, um ihm seine Neuigkeiten nicht rückwärts wieder in den Rachen zu stopfen.
»Ob ich sauer bin? Natürlich bin ich sauer! Ich komme nach Hause und du bist einfach weg! Keine Nachricht, kein Anruf, nicht mal ein blöder, beschissener Zettel!«
»Ich wollte, dass es eine Überraschung wird.«
»Ja, toll. Überraschung!« Sie warf die Hände in die Luft, wandte sich ab, lief zwei Schritte, ehe sie sich wieder umdrehte. »Solche Überraschungen kannst du dir sparen.«
Noel sagte nichts, aber seine Augen verrieten, dass er verstand, dass er in Schwierigkeiten war.
»Mit so einer Reaktion hast du wohl nicht gerechnet? Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Spazierst draußen in der Weltgeschichte rum und suchst dir einen Job. Ja, genau, Mister. Du bist nicht alleine auf der Welt. Ich dachte, dir wäre sonst was passiert!« Sie funkelte ihn an, stemmte die Hände in die Hüfte, doch wartete gar nicht ab, bis er etwas erwiderte. Stattdessen ging sie zu den Küchenschränken und holte Geschirr, Mehl, Butter, Eier und Zucker mit einer Zackigkeit hervor, dass die Türen und Schüsseln nur so knallten und klirrten. »Wäre eine kurze Nachricht zu viel gewesen? Nein, wäre sie nicht! Erinnerst du dich daran, als ich einmal später von der Arbeit nach Hause gekommen bin? Um dir ein verdammtes Bett zu kaufen? Und da bin ich maximal zwei Stunden später da gewesen und nicht fünf!«
»Vier«, berichtigte sie Noel leise. »Es waren damals vier. Und ich bin heute nur zweieinhalb Stunden nach dir gekommen.«
»Du hast aber nicht weg zu sein! Wenn ich nach Hause komme, will ich keine leere Wohnung finden und nicht wissen, wo du bist! Ein verdammter, kleiner Zettel! Ein Satz! Und überhaupt, was heißt denn hier, du hast einen Job? Was denn für einen Job? Wo willst du denn arbeiten, ohne dass dir was passiert? Und jetzt kommt mir nicht mit der überflüssigen Sorge, du weißt genau, dass ich Recht habe. Es gibt nicht viele Möglichkeiten für dich zu arbeiten, bei denen du nicht irgendwelchen Gefahrenquellen ausgesetzt bist, das ist ein Fakt.«
Sie hörte zwar, wie Noel sich vom Sofa zum Küchentresen bewegte und dort hinsetzte, sah aber noch nicht ein, wieder Blickkontakt mit ihm aufzunehmen.
»Ich hätte ja gedacht, dass wir so was vielleicht gemeinsam besprechen, aber gut, nein, es ist natürlich deine Sache. Oh Gott, wie dumm ich mir jetzt vorkomme und dabei bist du nur fröhlich in der Weltgeschichte rumgestromert. Weißt du, du kannst nicht einfach bei jemandem aufkreuzen, in sein Leben kommen, all das machen, was du die letzten Wochen getan hast und dann ohne ein Wort dein Ding machen!« Sie donnerte ihm die Schüssel vor die Nase und bemerkte erst in dem Moment, dass sie ihm einen Teig geknetet hatte. Oder besser gesagt geschlagen. »Das geht einfach nicht,
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