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Dezembergeheimnis

Dezembergeheimnis

Titel: Dezembergeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Richter
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er?
    Er konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben! Oder war das bei Kuchenmännern gar nicht so unmöglich?
    Lea fühlte ihr Herz in der Brust rasen. Ihr Atem ging zu schnell und für einen Moment musste sie sich hinsetzen und zwingen, langsam bis fünfundzwanzig zu zählen. Noel konnte nicht weg sein, er durfte es nicht!
    Und er war es auch nicht!
    Sie war sich sicher, dass sie es gespürt hätte, wenn etwas mit ihm gewesen wäre. Und er hätte es ihr doch auch gesagt, wenn er gewusst hätte, dass ihm so etwas wie Verschwinden bevorstand. Eine solche
Kleinigkeit
würde er doch nicht unter den Tisch fallen lassen, oder?
    Sie öffnete die Wohnungstür und prüfte den Farn, der neben ihrer Fußmatte stand, in dem sie die Finger in die Erde steckte. Der Schlüssel, den sie Noel für Notfälle gezeigt hatte, war nicht mehr dort. Wahrscheinlich war ihm langweilig geworden und er unternahm lediglich einen kleinen Spaziergang. Oder der Schlüssel war geklaut worden. Oder Noel hatte ihn geklaut. Nein. Nein, sie vertraute ihm. Es war bestimmt die Erklärung mit dem Spaziergang. Aber warum hatte er ihr dann keine Nachricht hinterlassen oder wenigstens angerufen?
    Bevor sie bei diesem Gedanken länger als notwendig verweilen konnte, flitzte sie zurück in die Wohnung und schrieb einen kleinen Zettel, dass er sie auf ihrem Handy anrufen sollte, sollte er vor ihr zur Wohnung zurückkehren. Sie stülpte sich die Schuhe über, schnappte sich Jacke und Autoschlüssel und rannte zurück zu ihrem Wagen. Er konnte nicht weit gekommen sein und egal, wo er war, sie würde ihn finden!
    Sie fand ihn nicht.
    Jede Weggabelung, jede Kreuzung, jede Seitengasse   … alles hatte sie abgesucht. Nach einer Stunde war es dunkel geworden, doch erst nach einer weiteren hatte sie aufgegeben. Alle Menschen hatten gleich ausgesehen; vom Auto aus hatte sie nichts gut genug erkennen können und zu Fuß war sie zu langsam vorangekommen. Ein paar Mal dachte sie, ihn von hinten zu sehen, doch jedes Mal hatte sich ein völlig Fremder umgedreht.
    Als sie den Wagen auf dem Hof parkte, glomm immer noch die letzte Hoffnung in ihr, dass er vielleicht doch bereits in der Wohnung angekommen sein mochte und sie nur nicht angerufen hatte. Vielleicht hatte er vergessen, wie das Telefon funktionierte.
    Aber die Wohnungstür aufgestoßen, begrüßte sie nur ein dunkler Flur. Dieses Mal machte sie sich nicht mal die Mühe, seinen Namen zu rufen, denndie Leere lag in der kühlen Luft. Keine Spur von Noel.
    Ohne sich der Jacke oder den Schuhen zu entledigen, tapste sie ins Wohnzimmer und sank auf die Couch. Ihr Blick wanderte zu Noels Bett, dessen ordentlich zusammengelegte Bettwäsche völlig unberührt im Licht der Straßenlaternen leuchtete.
    Wo konnte er nur sein? Wohin war er verschwunden?
    Hatte er sie etwa verlassen?
    Ehe Lea es verhindern konnte, begannen ihre Schultern zu zittern und das Atmen fiel ihr schwer. Sie sank in sich zusammen und fühlte sich genauso leblos wie ihre leere Wohnung. Ihre Konturen waren auf dem Sofa nur schwer auszumachen, so sehr ging sie in den Schatten unter, nur durch ihre leisen Schluchzer hätte man sie bemerken können.
    Als ihre Augen feucht wurden, wischte sie sie hastig mit dem Jackenärmel trocken.
    Doch nicht weinen, doch nicht wegen Noel
, dachte sie, aber sie konnte die Tränen nicht aufhalten. Wie klitzekleine Murmeln perlten sie ihr über die Wangen, fielen ihr in den Schoß und sorgten für eine verstopfte Nase. Aus der Hosentasche zog sie ein altes Taschentuch, was gerade noch dazu taugte, die verräterischen Spuren zu beseitigen.
    Er konnte nicht weg sein! Aber wie sollte sie ihn denn wiederfinden? Sie konnte ja nicht mal zur Polizei gehen; sie hatte keinen Namen, keine Dokumente, er war nirgendwo verzeichnet und niemand würde die Dringlichkeit verstehen, weswegen er auf sich gestellt so schutzlos war.
    »Du blöder, blöder Idiot«, schluchzte sie ins Nichts. »Du bist ein richtiges Arschloch. Du kannst mich doch nicht einfach alleine lassen!«
    Sie zog die Knie an, drückte sich in Noels Sofaecke und klammerte sich an die Decke, die von gestern immer noch dort lag. Der Stoff roch süß und herb und fing alsbald noch mehr Tränen auf. Was sollte sie machen, sollte er nicht wieder auftauchen? An wen konnte sie sich wenden, wer würde ihr beim Suchen helfen? Sally? Maria? Ihre Mutter? Sie wusste ja nicht mal, ob er einfach nur weg war oder ob er eventuell sogar verletzt war. Aber prinzipiell war das auch egal. Sie

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