Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dezemberglut

Dezemberglut

Titel: Dezemberglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda K. Heyden
Vom Netzwerk:
Entscheidung, die ich bis zum Abend treffen musste, war, ob ich mich anziehen sollte oder nicht. B is mich der Wagen zum Fitnesst raining abholte, hatte ich noch viel Zeit.
    Etwa eine Stunde später stand ich vor der geöffneten Schublade, in der meine Mutter ihre Küchenmesser aufbewahrte. Sie waren blank poliert und lagen o r dentlich in ihrem Fach. Ich nahm eines heraus. Holte tief Luft. Meine Finger w a ren kalt, so kalt wie der Stahl der Klinge, aber sie zitterten nicht. Der Griff in me i ner Hand erwärmte sich. Das fühlte sich gut und richtig an. Ich sah, wie ich das Messer ansetzte und durchzog, Blut aus dem Schnitt in meinem Unterarm quoll.
    Ich hatte ihn neben dem vom Vortag gesetzt. Dieser hier war tiefer, aber es war leichter gewesen, als ich gedacht hatte.
    Ich starrte auf meinen Arm, hielt ihn über das blank geputzte Waschbecken. Ich sah Blut. Mein Blut. Erst fühlte ich nichts. Dann überflutete mich der Schmerz. Er beanspruchte meine komplette Aufmerksamkeit und verdrängte alles andere. Das Blut war warm und tropfte über meine Finger auf das glänzende Metall. Ich sah, wie sich die Tropfen sammelten und als kleiner, roter Bach ihren Weg in den A b fluss fanden. Der scharfe Schmerz veränderte sich, wurde zu einem dumpfen Pochen. Endlich fühlte ich mich ruhiger. Ich war gleichzeitig erleichtert, dass ich es geschafft hatte, den Schnitt erneut zu setzen – und froh, dass es endlich vorbei war.
    Bevor ich den Fernseher einschaltete und das Sofa ansteuerte, legte ich mir e i nen Verband an. D ie Schmerz en hatte n nachgelassen, aber ich konnte sie immer noch spüren. Genau wie die leisen Wortfetzen aus dem Fernseher begleiteten sie mich in einen unruhigen Schlaf.
     
    Am Abend, während des Trainings , fing die Wunde an zu bluten. Ich spürte die Blicke der Siebzehn, sah Augen, die anfingen zu glänzen. Ich fühlte mich zwar nicht bedroht, aber unbehaglich und schuldig, weil ich sie so aufregte.
    Tiffany war die erste, die mich ansprach. Sie sah mich mit großen Augen an. „Du riechst nach Blut, Charis.“
    „Ich weiß. Ich habe mich aus Versehen beim Kochen geschnitten.“
    „Tut bestimmt weh.“
    „Es geht schon. Tut mir leid, dass ich euch so … nervös mache.“
    „Ist ja nicht deine Schuld.“
    Ich senkte den Kopf.
    In der Pause kam Max auf mich zu. „Du hast dich verletzt?“, fragte er besorgt. „Beim Training? “
    Ich mochte ihn . Er hatte fast immer gute Laune und war so herrlich unkompl i ziert, dass ich glatt vergessen konnte, es mit einem Vampir zu tun zu haben.
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Mir ist in der Küche ein kleiner Unfall passiert. Ich hätte heute besser nicht trainieren sollen.“
    Max zwirbelte nachdenklich an seinen langen braunen Dreadlocks, die er wä h rend des Trainings immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
    Ich wich seinem Blick aus.
    „Lass mich die Wunde versorgen.“
    „Nein, das ist nicht notwendig.“ Das fehlte noch! Nach einem kleinen Unfall in der Küche sahen meine Schnitte wirklich nicht aus.
    Er schwieg. Als wartete er auf eine Erklärung, die ich ihm nicht gab. „Dann setz dich dort hin, bis du abgeholt wirst.“
    Ich nickte erleichtert, sah den anderen beim Training zu und wartete auf Daniel.
     
    Die Energie war wie ein eisiges Prickeln in meinem Nacken.
    Ach du Schreck! Ich drehte mich nicht um und hielt den Kopf weiter gesenkt, als würde ich das Parkett der Halle betrachten . I ch wusste auch so, wer geko m men war. Ausgerechnet. Ich bezweifelte, dass das ein Zufall war.
    Schwere Stiefel drängten sich in mein Blickfeld. „Komm mit. Ich fahre dich nach Hause.“
    Ich sah auf und tat überrascht.
    Sein Gesicht war ausdruckslos wie so oft. Seit dem Erlebnis mit meinem Onkel hatte ich keine Angst mehr vor ihm, aber als herzlich würde ich unser Verhältnis dennoch nicht bezeichnen. Ich stand langsam auf und folgte ihm.
    Jetzt, im Dezember, war die Stadt voller Weihnachtsmärkte. Die Silhouette der Hochhäuser am Potsdamer Platz tauchte vor uns auf. Die Rodelbahn und Hol z buden waren um diese Zeit leer und verlassen. Der künstliche Weihnachtsbaum des Sony-Centers schimmerte in einem kühlen Blau.
    Als wir den Potsdamer Platz hinter uns gelassen hatten, fuhren wir an der Phi l harmonie vorbei und durch die Potsdamer Straße mit Häusern, die der Immob i lien-Boom vergessen hatte, in Richtung Süden. Den kürzesten Weg nach Zehle n dorf hatte Damian heute nicht gewählt. Als er zum letzten Mal abbog und mein Zuhause näher

Weitere Kostenlose Bücher