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Dezemberglut

Dezemberglut

Titel: Dezemberglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda K. Heyden
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kam, fing ich endlich an, mich zu entspannen. Damian war so wenig gesprächig wie sonst, und meine Sorge, er würde mich auf meinen angebl i chen Küchenunfall ansprechen, verschwand.
    Der Wagen hielt vor meinem Haus. Doch diesmal stellte Damian den Motor ab. Das sah leider nicht nach dem schnellen Aufbruch aus, den ich von ihm gewohnt war.
    „Du kannst eine blutende Verletzung nicht verbergen. Nicht vor Vampiren. Wo hast du sie her? Ganz sicher nicht vom Training .“
    „Ich habe mich geschnitten. Beim Kochen. Aus Versehen.“
    „Und dabei ist dir das Messer statt in eine Kartoffel in deinen Unterarm g e rutscht?“
    Ich presste die Lippen zusammen und schwieg.
    „Blödsinn“, sagte er ärgerlich.
    „ Blödsinn. Genau. Ich habe überhaupt keine Kartoffeln geschnitten.“
    „Sag bloß.“
    „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Was ich tue oder nicht, geht dich überhaupt nichts an.“
    „Wenn du deine Zeit weiter mit Vampiren anstatt mit Menschen verbringen willst, schon. Ich bin dein Mentor und für dich verantwortlich, oder hast du das vergessen? Also? Was ist los, Kleines?“
    „Ich bin nicht klein! Und ich habe es satt, dass du mich so nennst.“
    „Versuch nicht, auszuweichen.“
    Ich mied Damians Blick, und seine Hand näherte sich meinem Arm. Er sah, dass ich zurückzuckte, und ließ sie sofort sinken.
    „Keine Lügen. Versuchst du, jemanden zu decken? Wer hat dich verletzt?“ Se i ne Stimme war ruhig, aber da war ein gefährliches Funkeln in seinen Augen.
    „Niemand.“ Mein Gott, ich hatte schon wieder Angst vor ihm, und das machte mich wütend. Außerdem nahm das Gespräch eine gefährliche und falsche Ric h tung, wenn er glaubte, jemand hätte mir die Verletzungen zugefügt. „Ich habe mich selbst geschnitten“, gab ich widerwillig zu. „Mit Absicht.“
    Sein Gesicht füllte sich unerwartet mit Leben. „Warum?“
    „Weil … ich habe gehört, dass es helfen soll. Der äußere gegen den inneren Schmerz.“
    „Aber … warum?“, wiederholte er. Meine Worte waren ihm ganz offensichtlich unbegreiflich.
    Ja, warum? Warum brachte es mir solche Erleichterung, wenn ich mir Schnitte in den Arm zufügte? Auf einmal wusste ich es. Wenn ich mich selbst verletzte, wenn ich mein Blut zum Fließen brachte und meine Wunde schmerzte, gab es nichts sonst, was mir wehtun konnte, Angst und Erinnerungen verschwand en , wenigstens für kurze Zeit.
    Aber das behielt ich für mich. Damian würde es sowieso nicht verstehen. Ni e mand konnte das, erst recht kein Vampir.
    „Ein Schnitt ist etwas Reales“, sagte ich deshalb nur. „Fassbar. Etwas, was ich kontrollieren kann und … allem entgegensetzen.“
    „Und was dir und deinen Eltern passiert ist, dass sie tot sind, ist nicht real? Nicht fassbar?“
    Seine Worte waren so brutal, dass ich zusammenzuckte. Außerdem versuchte er, mir das Wort im Mund herumzudrehen. „Doch.“ Ich schluckte. „Aber so ... durch körperlichen Schmerz kann ich mich ablenken.“
    „Ablenken? Du glaubst, Ablenkung hilft? Eingeschnittenes Fleisch und Blut im Tausch gegen Leid und Trauer?“ Seine Augen blitzten so wütend, dass er rasch den Kopf senkte. Mit seinem Blick konnte er mir Schmerzen zufügen, das wus s ten wir beide.
    „Das verstehst du nicht. Mir hat es geholfen.“
    „Geholfen?“
    „Es hat mich abgelenkt.“
    „Wir drehen uns im Kreis.“ Sein Blick zeigte Verachtung. „Meinst du, nur weil du deinen Körper verstümmelst, wirst du das Leid deines Herzens umgehen kö n nen? Du kannst ihm nicht aus dem Weg gehen. Deinem Schmerz. Deiner Trauer. Glaub mir, damit kenne ich mich aus. Alles, was du erlebt hast , gehört zu dir, und irgendwann musst du dich damit auseinandersetzen. Doch was tust du? Du glaubst, dir die Trauer einfach aus dem Leib schneiden und dich ablenken zu kö n nen.“
    „ Blödsinn “, sagte ich wütend. Als hätte ER das Recht, zornig zu sein.
    „Wie oft hast du das schon gemacht? Dich geschnitten?“
    „Zwei Mal.“
    „Du hättest es anders haben können, aber du wolltest ja nicht vergessen, eri n nerst du dich? Aber so, wie du es machst, funktioniert das nicht. Wenn du dir dein Leben zurückholen willst, dann lerne, mit deinen Erinnerungen zu leben.“
    Ich starrte ihn trotzig an. „Das tue ich doch.“
    Damian lehnte sich zurück. Nun, da er seine Position verändert hatte, ließ der Schatten den Ausdruck in seinem Gesicht verschwinden, und ich sah nur noch sein Profil. „Du solltest besser nochmals über Julians Angebot

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