Dezemberglut
war ich enttäuscht, und ich versuchte zu verstehen, warum. Was hatte ich denn erwartet? Schmuck? Parfum? Reizwäsche? Einem Kind schenkte man kein Parfum. Man schenkte ihm Süßigkeiten oder Spielzeug. Schneekugeln.
Für Damian war ich noch ein Kind. Und vielleicht war das sogar gut so.
Ich verspürte einen Stich. Schon wieder. Sei keine Idiotin, Charis.
Ich schüttelte die goldenen Sterne auf und betrachtete sie gedankenversunken. Die Kugel hatte eine weiche Außenschicht. Probehalber warf ich sie gegen die Wand. Ich fing sie wieder auf.
Falsches Märchen.
Als ich wirklich noch ein Kind war, besaß ich eine Märchentasse, auf der das Mädchen aus Sterntaler in einem langen Schlabberunterhemd, das sie wie eine Schürze hielt, seelenvoll in den Himmel glotzte.
Als Kind hatte ich einmal eine Biene aus dem Wasser des Freibads hinausg e schaufelt, um ihr das Leben zu retten. Dabei hatte sie mich in den Handrücken gestochen.
Ich gehör t e zu denen, die an Bushaltestellen nach dem Weg gefragt werden. Immer. Wenn jemand mit gerunzelter Stirn den Fahrplan studiert und sich s u chend umblickt, bin ich es, die angesteuert wird. Alte Damen lieben mich beso n ders. Ich habe wohl etwas Vertrauensbildendes an mir. Aber bin ich deshalb ein langweiliges, gutes Kind? Wie im Sterntaler - Märchen ?
Vielleicht sollte ich genau wie im Märchen barfuß in einem kartoffelsackmäß i gen Hemd umherlaufen. Es schien Damian ja völlig egal zu sein, ob ich einen Minirock oder eine Latzhose trug. Das würde ihm noch nicht einmal auffallen.
Was Kleidung betraf, schien er einfach blind zu sein. Er selbst sah ja auch i m mer so aus, als hätten Vampire tatsächlich keine Spiegel in ihrer Wohnung.
Vor allem sollte er unbedingt auf diese blöde Wollmütze verzichten. Obwohl. Gestern hatte ich bemerkt, dass ich ihn die ganze Zeit anstarrte. Irgendwie hatte sich Damian verändert, und diese Veränderung war ganz langsam und unauffällig vonstatten gegangen, mit einem blauen Shirt, dann mit einem grauen Kaschmi r pullover. Er trug nicht mehr ausschließlich schwarz.
Jedenfalls hasste ich es, dass er mich als Kind betrachtete.
Ich war kein Kind mehr , d as würde ich ihm zeigen.
Und ich wusste auch schon, wie.
Kapitel 16
Als es endlich wieder Damian war, der mich abholte, hatte ich mich vorbereitet. Obwohl ich sein Auto gehört, meine Wimpern vier Mal getuscht und meinen Lippenstift bereits zwei Mal kontrolliert hatte, tat ich so, als hätte ich seine A n kunft nicht bemerkt , ließ ihn aussteigen und klingeln.
Ich trug eine enge schwarze Lederhose, eine schwarze Korsage und sah absolut heiß aus. Heißer als Kate Beckinsale . Und Louisa, sowieso.
Überhaupt nicht wie das Kind in Sterntaler. Nicht im Geringsten.
Ich öffnete schwungvoll die Tür. Damian starrte mich an. Sein Blick verfing sich irgendwo in meinem Ausschnitt, und es dauerte, bis er wieder hinausfand.
„Ist das die neue Kollektion von Buffy ?“ Irgendwie wirkte er verärgert.
„Nein. Ausverkauf bei Miss van Helsing “, antwortete ich vergnügt.
„Gehst du heute nicht zum Training?“
„Doch, natürlich. Aber ich werde mich bei Tiffany umziehen. Wir gehen noch aus. Ins Wilhelmina.“ Da Damian leider nie dort auftauchte und mich Daniel sp ä ter nach Hause fahren würde, fühlte ich mich genötigt, ihm mein Outfit auf diese Weise vorzuführen. Eine Sondershow, ganz für ihn allein. In mancher Hinsicht sind Männer so wenig raffiniert, egal, wie lange sie leben. Damian kam überhaupt nicht auf die Idee zu hinterfragen, warum ich so unpraktisch vorging.
Auch wenn er während der ganzen Fahrt schwieg – mit dem Ergebnis war ich gar nicht unzufrieden.
Tiffany und ich thronten auf unseren üblichen Plätzen an der Bar. Inzwischen verfügten wir über gewisse Gewohnheitsrechte, die auch von den Vampiren hinter der Bar respektiert wurden. Ich hatte gute Laune und trommelte erwartungsvoll mit den Fingern auf den Tresen, zum Takt der Musik, sodass die roten Wei h nachtsmänner auf meinen grünen Fingernägeln tanzten.
„Die Frau im Nagelstudio“, sagte Tiffany unvermittelt. „Wie hat sie ausges e hen?“
„Gut. Platinblond, so wie du früher. Aber mit einem Gesicht wie ein Vol l mond“, fügte ich hastig hinzu, als ich sah, wie sich ihr Gesicht verdüsterte. „Wus s test du, dass sie schwanger ist?“
„Nein. War sie allein?“
„Da war so ein Typ bei ihr. Mit Vollbart.“
„Halbglatze und Pferdeschwanz, Jeansweste und Lederhose? Die Arme
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