Dezemberglut
mein Kleiderschrank dort drin.“ Ellen öffnete die Tür, schaltete das Licht ein und erstarrte. Die weißen Wände waren voller blutiger Streifen. Sie sahen aus, wie mit Fingerfarben gemalt. Kop f kissen, Decken und Federbett waren auf dem Boden verstreut, und alles, das Bett, selbst die Matratze, war nass. Blutnass. Ellen räusperte sich. „Ist das Christians Blut?“ Ihre Stimme kratzte trotzdem.
Andrej nickte.
„Ist er … tot?“
Er zuckte die Achseln. „Vielleicht. Aber nicht wegen des Zustandes deines Zimmers. Christian hat etwa sechs Liter Blut im Körper. Das hier ist nicht mehr als eine Nachricht. Für uns. Und für dich.“
Ellen nickte. Aha. Die Nachricht war angekommen. Und was Blutvergießen b e traf, war Andrej sicher Experte. Er musste es also wissen.
Sie spürte, wie die Erinnerung zurückkehrte. Und die Erkenntnis, wie einfach es gewesen war, erneut in ihre Wohnung, ihr Schlafzimmer einzudringen und dort diesen Albtraum anzurichten.
Ihr zu zeigen, wie verletzlich sie war. Wie sehr sie gehasst wurde.
„Wir hätten dich und deine Wohnung überwachen sollen.“
„Warum? Ihr dachtet, dass Martin sicher aufgehoben ist. Und ich dachte das auch.“ Ellen hob einen graubraunen Stoffhasen vom Boden auf und betrachtete ihn. Er war frei von Blut.
Dann malte sie sich aus, wie ein fremder Vampir die Nacht vor ihrem Fernseher verbrachte oder auf ihrem Sofa, während sie versuchte, nur durch eine Wand g e trennt, in ihrem Bett zu schlafen. Unmöglich. Das wäre ihr viel zu intim, denn seit sie Julian kannte, hatte sie einiges über die Fähigkeiten von Vampiren gelernt.
Sie ging zu ihrem Kleiderschrank, suchte ihre Reisetasche und stellte sie auf e i nen Stuhl. Ihre Hände zitterten. Sie hatte diese Tasche schon einmal gepackt, während ein Vampir ihr dabei zusah und auf sie wartete.
Die eigene Wohnung sollte ein Zuhause sein. Der Ort, an dem man sich sicher fühlt. Aber das tat sie nicht, nicht mehr.
„Gut. Ich werde im Aeternitas übernachten. Aber ich werde weiter arbeiten“, sagte sie, während sie die Schublade ihrer Wäschekommode öffnete. „Am Mo n tag“, ergänzte sie, als Andrej schwieg. Sie hörte selbst, wie ihre Stimme kippte.
„Das ist keine gute Idee.“
„Ich bestehe darauf.“
Andrej betrachtete sie abschätzend und wirkte wenig beeindruckt. Ellen fragte sich, ob er sie einsperren würde, falls sie nicht nachgab.
Endlich hob er die Schultern. „Das Hotel ist sicher. Wenn du im Aeternitas übernachtest, wirst du von dort in die Klinik gefahren und abgeholt. Falls du au s gehen willst, dann nie allein. Auch nicht tagsüber. Zu deiner Sicherheit.
Andrej schien erstaunlich viel über sie zu wissen. Und über ihre Arbeit.
Sie würde mit Julian ein Wörtchen reden müssen.
Zuerst legte sie ihren Stoffhasen in die Tasche.
***
Die Gemeinschaft war in heller Aufregung wegen Martins Ausbruch .
I ch hatte alles von Tiffany beim Training erfahren. Sie wusste auch, dass der I n nere Kreis zusammengekommen war, um Richard zu befragen. Max hatte das Training allein geleitet und gesagt, dass ich auf Damian warten solle.
Damians Gesicht war ernst. „Du hast von Martin und Christian gehört?“
Ich nickte.
„Weiß Martin, wo du wohnst? Oder Christian?“
„Ich?“, fragte ich erstaunt. Sofort gingen mir zwei Dinge durch den Kopf. Er s tens, Damian machte sich Gedanken um meine Sicherheit. Und zweitens die Überlegung, ob ich für Martin tatsächlich eine mögliche Zielscheibe abgab. Auf diese Idee war ich noch gar nicht gekommen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Sie kennen noch nicht einmal meinen Nachnamen.“
„Die Presse hat häufig von deinem Fall berichtet.“
Das stimmte. „Aber mein Nachname wurde nie genannt.“
„Vielleicht solltest du auch im Aeternitas wohnen. Wie Ellen.“
Mann, ein paar Wochen in einem Luxushotel. Mit Ellen als Zimmernachbarin. Das wäre echt mal was anderes. Aber Püppi mitzunehmen, konnte ich mir nicht vorstellen. Und wer sollte sich inzwischen um sie kümmern? Frau Bergdorf war schon alt, und ich konnte sie ihr nicht andauernd aufhalsen. Außerdem liebte ich das Haus, umso mehr nach allem, was passiert war, und es gab keinen Ort, an dem ich mich lieber aufhielt. Also schüttelte ich den Kopf.
„Nein. Ich bin nicht in Gefahr. Da bin ich vollkommen sicher.“
Damian sah mich zweifelnd an. „Wir haben Martin unterschätzt. Und diesen kleinen Mistkerl Christian auch.“
„Natürlich finde ich … schlimm, was passiert ist,
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