Dezemberglut
wünschte.
„Bitte, komm herein.“
Er stieß sich ab und schloss die Tür hinter sich.
„Möchtest du etwas trinken?“, fragte ich hölzern. Damian hatte Wort gehalten, natürlich, und er war hier. Aber er wirkte völlig verändert, und ich hatte keine Ahnung, warum.
„Vielleicht später.“
In der Diele hängte er seine schwere Lederjacke auf einen Bügel. Ordentlicher Vampir. Er folgte mir ins Wohnzimmer.
„Du willst mich“, stellte er fest.
Speed-Dating. Galanterie war wirklich nicht Damians Ding. Gerade hatte er e t wa zehn Smalltalk-Stufen gleichzeitig übersprungen. Mindestens.
Aber ich nickte. Welchen Sinn machte es zu leugnen? „Und du mich auch.“
Damian verzog den Mund zu einem Lächeln. Es war düster und alles andere als freundlich. Bis eben hatte ich mich von einer Welle des Glücks tragen lassen. Nun versuchte ich , mein Unbehagen beiseite zu schieben. Gestern hatte ich ja auch die Initiative ergriffen, vielleicht sollte ich das wieder tun. Ich dachte an diesen M o ment, in dem wir uns so nahe gewesen waren, und trat auf ihn zu. „Ich muss dir etwas sagen“, meinte ich hastig. „Es ist wichtig.“ Ich räusperte mich. „Das verm u te ich jedenfalls.“
„Ja?“
„Weißt du … es ist nicht so, dass ich überhaupt keine sexuellen Erfahrungen habe.“
Sein Blick zeigte nichts außer Unverständnis.
Ich gab mir einen Ruck. „Also. Ich habe es noch nie wirklich gewollt. Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen. Du wirst der Erste sein.“
***
„Was?“, sagte Damian entsetzt.
Eine Flut von widersprüchlichen Gefühlen bedrängte ihn. Sie waren gefangen in seinem Herzen, versuchten, gleichzeitig auszubrechen, aber er konnte keines von ihnen fassen und begreifen, außer seinem Zorn.
Also befreite er sich und schaffte sich Erleichterung auf die einzige Weise, die er kannte: Schnell, präzise und mit erbarmungsloser Wut.
„Nichts für ungut, Liebchen. Aber dann bist du heute wirklich nicht die Richt i ge. Ich mag es auf die harte Tour. Und das bringst du nicht.“
Charis. Er sah ihr Gesicht. Ihr Herz blutete.
Manche Wunden mussten sofort ausgebrannt werden, bevor sie zu sehr schmerzten. Das war besser, als sie ewig bluten zu lassen.
Unschuld? Hatte er überhaupt noch einen Funken Ehre im Leib? Er hatte noch nie eine Frau entjungfert und würde auch heute nicht damit anfangen. Damian wandte ihr den Rücken zu, nahm seine Lederjacke und ging hinaus. An der Hau s tür hielt er inne. Und glaubte, Reue und Sehnsucht würden ihn zerreißen.
Er hatte es versaut. Völlig, wie immer.
Er wollte umkehren, zurück zu ihr, sie um Verzeihung bitten, weil er ihr so wehgetan hatte. Nein. Das wäre das Schlimmste, was er tun könnte. Er durfte ihr keine Hoffnung machen, keine falschen Erwartungen wecken.
E ndlich hatte sie sein wirkliches Gesicht gesehen.
***
Die Haustür fiel hinter Damian zu. Püppi jaulte enttäuscht.
Ich fühlte mich wie in einem Albtraum. Jenem Albtraum, in dem die Menschen zwar vertraut sind, sich aber verstörend anders verhalten und bizarr und man nur kraftlos dasteht, unfähig, in das verwirrende Geschehen einzugreifen . I rgendwie, durch ein erlösendes Wort, eine hilfreiche Tat.
Keine fünf Minuten. Ich hatte keine fünf Minuten gebraucht, um alles kaputt zu machen. Ich dachte – ich wusste gar nicht mehr, was ich dachte. Eben hatte ich es noch gewusst. Nur über meine Gefühle war ich mir nur zu gut im Klaren.
Seine Worte hatten mich getroffen wie Dolche, die sich tief in meine Brust ve r senkten. Er hatte mich schon im Kämpfen unterrichtet. Da wollte er mir nicht auch noch beim Sex Nachhilfeunterricht geben. Verständlich.
Und nach allem, was ich gehört hatte, und er hatte es selbst zugegeben, zog Damian einen ganz anderen Frauentyp vor. Einen, der viel mehr Erfahrung hatte als ich. Wie Louisa.
Trotzdem hatte ich mich ihm an den Hals geworfen.
Wie hatte ich nur glauben können, dass das, was zwischen uns war, auch für ihn besonders war? Etwas anderes als ein netter, entspannender Zeitvertreib, und dass wir so etwas wie eine Beziehung haben könnten? Ich hatte einfach überhaupt nicht gedacht. Ich war nur dumm gewesen. Dumm und betrunken. Für ihn war ich doch nur eine Schülerin, ein Kind wie im Sterntaler - Märchen . Plötzlich schä m te ich mich so sehr, dass ich noch nicht einmal wütend w u r de . Oder weinen kon n te. Was hatte ich mir bloß eingebildet?
Endlich hörte ich, wie der Motor ansprang und Damian
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