Dezembersturm
Pfarrers eigenhändig Kuchen und Kaffee, obwohl dies normalerweise die Aufgabe ihres Dienstmädchens war. Danach zog sie sich zurück und ließ die beiden Männer allein.
Zwar hatte Ottokar bereits auf dem Gut Kaffee getrunken, doch war sein Mund so ausgedörrt, dass er sich vom Pastor noch ein zweites Mal einschenken ließ. Zwischendurch aß er den Kuchen und lobte ihn über den grünen Klee, obwohl er kurz danach nicht mehr hätte sagen können, was auf seinem Teller gelegen hatte. Dabei behielt er die Schwarzwälder Uhr im Auge, die noch aus der Studentenzeit des Pastors stammte, die dieser unter anderem in Freiburg verbracht hatte. Obwohl er für seinen Besuch wenig mehr als eine Dreiviertelstunde eingerechnet hatte, fiel es ihm schwer, diese Zeit mit Gespräch zu füllen. Daher erinnerte er den Pfarrer völlig überflüssigerweise daran, dass sein ältester Sohn im nächsten Jahr konfirmiert werden sollte, und ging dann mit ihm einige Ausbesserungsarbeiten durch, die in der Dorfkirche durchgeführt werden mussten.
Als die Kuckucksuhr die volle Stunde schlug, stand der Gutsherr mit einem erleichterten Schnaufen auf. »Es tut mir leid, Pastor, aber ich will heute noch nach Elchberg hinüber, um mir die neue Maschine anzusehen. Wir werden unser Gespräch ein andermal fortsetzen.«
Er reichte dem Pfarrer die Hand und verließ das Haus. Draußen erinnerte er sich daran, dass er sich auch von der Ehefrau des Geistlichen hätte verabschieden müssen, und bat diesen, der Dame des Hauses herzliche Grüße auszurichten.
»Das werde ich tun, Herr von Trettin. Einen guten Weg noch! Möge der Segen des Herrn Sie begleiten.« Mit diesen Worten tratder Pastor zurück und sah zu, wie der Gutsherr sich vom Pfarrkutscher in den Sattel helfen ließ.
Ottokar von Trettin hob grüßend die Hand und ritt dann im gemächlichen Tempo los. Schon bald blieb das Dorf hinter ihm zurück, und er sah bereits die Abzweigung zum Forsthaus vor sich, als ihm ein Wagen entgegenkam. Zwangsläufig trabte der Gutsherr geradeaus weiter, grüßte den Fahrer dabei freundlich und wechselte mit ihm ein paar Worte über das Wetter. Danach tat er, als wolle er in Richtung Heiligenbeil reiten. Als das Gespann hinter der nächsten Kurve außer Sicht gekommen war, machte er jedoch kehrt und bog in die Forststraße ein. Da die Zeit nun drängte, gab er dem Hengst die Sporen und war dabei froh um die Stollenhufeisen, mit denen er das Tier hatte beschlagen lassen.
Sonst wäre der Weg für einen schnellen Ritt zu glatt gewesen.
Während er zwischen den uralten Tannen hindurchritt, die hier seit Generationen wuchsen, zog er sich den rechten Handschuh aus und griff in die Satteltasche.
Aufatmend spürte er das kalte Metall des Revolvers in der Hand. Er hatte ihn mit den drei alten Patronen geladen und auch mit drei neuen. Die wollte er aber nach Möglichkeit nicht verschießen, da Wilderer im Allgemeinen keine modernen, amerikanischen Patronen verwendeten.
Als die Kälte zu sehr in seine Hand biss, zog der Gutsherr den Handschuh wieder über und versuchte abzuschätzen, wie weit es noch war. Er wollte nicht bis zum Forsthaus reiten und neben Florin auch noch Miene und Kord erschießen müssen. Drei Morde und ein scheinbarer Überfall auf das Forsthaus hätten die Polizeibehörden aufgeschreckt. Ein von einem Wilderer erschossener Knecht fiel hingegen kaum ins Gewicht.
In Gedanken versunken, wurde er von Florin überrascht. Obwohl der Forstweg schnurgerade verlief, stand der Kutscher auf einmal vor dem Gutsherrn. Spuren zeigten, dass er sich an den Waldrandgestellt hatte, um Wasser zu lassen. Als er das Pferd seines Herrn hörte, drehte er sich verwundert um.
Ottokar von Trettin streifte seinen Handschuh so hastig ab, dass dieser zu Boden fiel. Unwillkürlich bückte Florin sich und hob ihn auf. Währenddessen zog sein Herr den Revolver hervor, wartete, bis der Kutscher ihm den Handschuh gereicht hatte, und drückte dann ab.
Grenzenloses Erstaunen machte sich auf Florins Gesicht breit, und auch ein Ausdruck, der Ottokar von Trettin Angst machte. Rasch feuerte er die beiden anderen Wildererpatronen ab und sah dann zu, wie Florin langsam zusammensackte und starr liegen blieb, während sich der Schnee unter ihm rot färbte.
Für Augenblicke kämpfte der Gutsherr mit seinen vibrierenden Nerven, dann atmete er tief durch, zog seinen Hengst herum und ritt davon. Dabei trieb er das Tier so heftig an, dass es mehrmals auf dem schneeglatten Weg ins Rutschen
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