Dezembersturm
Woher soll ich das denn wissen?«
Statt einer Antwort legte Ottokar die Zeitung wieder hin und zeigte mit dem Finger auf die entsprechende Zeile. Malwine beugte sich vor, las den Namen und erbleichte.
»Lore Huppach! Aber wie kommt die zu dem Grafen?«
»Weiß ich es?«, schrie ihr Mann sie an und hieb mit der Faust auf den Tisch, so dass Malwine Angst um das zierliche Möbelstück bekam.
»Beruhige dich doch!«, sagte sie. »Jetzt wissen wir wenigstens, wo Lore ist, und können sie nach Trettin holen. Aber das Weibsstück wird bei mir nichts zu lachen haben, das schwöre ich dir.«
Ihr Mann drehte sich zu ihr um und klopfte sich mit der flachen Hand mehrfach gegen die Stirn. »Bist du noch bei Sinnen, Weib? Das hat der Alte ganz genau geplant. Er hat seine Enkelin einem reichen Grafen in Obhut gegeben. Dabei dürfte es sich um einen alten Freund von ihm handeln. Wenn wir jetzt hingehen und Lore von ihm fordern, werden alle den Kopf schütteln. Behandeln wir das Mädchen dann auch noch schlecht, sind wir überall Personae non gratae.«
»Aber der Graf ist doch ersoffen«, wandte Malwine verkniffen ein.
»Ich glaube kaum, dass sein Enkel Ruppert gegen den Willen seines Großvaters handeln wird. Da sie zusammen gereist sind, ist er wahrscheinlich sogar in den Plan eingeweiht. Uns bleibt wirklich nichts anderes übrig, als unsere Wut hinunterzuschlucken und dieses impertinente Ding zu vergessen. Wie es aussieht, hat mein Onkel uns auf ganzer Linie geschlagen!« Ottokar fluchte und schien seine Wut erneut am Mobiliar auslassen zu wollen.
Malwines Entrüstung war nicht geringer als die ihres Mannes, und sie schüttelte sich wie ein nasser Hund. Plötzlich wurde der Ausdruck ihres Gesichts hart. »Wenn du es noch nicht weißt: Wir haben noch ganz andere Probleme zu meistern als diese davongelaufeneMetze. Obwohl der Pastor es ihnen verboten hat, raunen sie im Dorf noch immer, du seist damals am brennenden Lehrerhaus vorbeigefahren, ohne die Bewohner zu warnen.«
»Das ist doch nur das Gerede dieser Verrückten. Der glaubt keiner! Ich habe das lügenhafte Miststück deswegen aus der Kate gejagt, so wie du es gewollt hast. Aber jetzt lebt sie mit Kord zusammen im alten Jagdhaus meines Onkels und dreht uns eine lange Nase.« Die Stimme des Gutsherrn schwankte jedoch, und für einen Augenblick überwog eine heimliche Angst seinen Zorn.
Seine Frau aber dachte bereits über ganz andere Gefahren nach, die sie am Horizont auftauchen sah. »Mir geht es weniger um Miene und Kord. Allerdings sollten wir dem Pastor stecken, dass es sich nicht gehört, wenn zwei Leute, die nicht miteinander verheiratet sind, in einem Haus zusammenleben. Ich denke mehr an den Kutscher. Florin war damals dabei, und wenn er etwas sagt, werden die Leute ihm eher glauben als der alten Vettel. Übrigens soll er in den letzten Wochen zweimal bei den beiden im Jagdhaus gewesen sein. Worüber, glaubst du, werden die dort gesprochen haben?«
»Wahrscheinlich über uns, meinen Onkel, Lore …«
»… und über den Brand des Lehrerhauses«, stichelte Malwine.
»Es ist doch eigenartig, wie der auf einmal ausbrechen konnte. Es gab in der Nacht kein Gewitter, und die Lehrersleute waren bereits zu Bett.«
»Bis auf Lore!« Dem Gutsherrn wurde auf einmal der Kragen zu eng. Er zerrte seine Krawatte auf und öffnete den obersten Knopf.
Seine Frau legte mit einem seltsamen Lächeln die Hand auf seine Schulter. »Miene hat auch behauptet, du habest beim Lehrerhaus anhalten lassen, seist dann aber weitergefahren, ohne deine Base zu warnen. Weißt du, wer anhält, kann auch aussteigen und gewisse Dinge tun. Es braucht nur ein Patenthölzchen, um trockenes Stroh genauso leicht zu entzünden wie ein Blitz!«
Ottokar fuhr wie von der Viper gestochen herum. »Was willst du damit sagen, Weib?«
»Ich? Nichts!«, antwortete Malwine mit sanfter Stimme. »Doch könnte es nicht sein, dass Florin etwas sagt? Oder findest du es nicht merkwürdig, wie er auf einmal die Nähe von Leuten sucht, die uns von Anfang an feindlich gegenübergestanden sind?«
»Aber das sind doch nur Hirngespinste!«, tat ihr Mann diesen Einwand ab.
»Was ist, wenn diese Hirngespinste Münder bekommen, die sie laut hinausschreien? Unser Ruf ist, wie du selbst gesagt hast, derzeit nicht der beste. Es muss nur noch eine Kleinigkeit geschehen, und dann werden wir wie Parias behandelt. Du warst ein Narr, deinem Onkel das Begräbnis in der Familiengruft zu verweigern. Das trägt man uns immer noch
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