Dezembersturm
nach. Unsere Nachbarschaft und die bessere Gesellschaft in der Stadt werden daher nach jedem Bissen schnappen, den man ihnen vorwirft. Du solltest auch nicht vergessen, wie beliebt Doktor Mütze ist. Die Leute nehmen es dir übel, ihn im Zorn geschlagen zu haben, und in deren Augen ist dieser Lump Fridolin geradezu ein Held, weil er dazwischengetreten ist!«
»Pah, das wird bald wieder vergessen sein! Doch mit Florin hast du recht. Der könnte mit Kord und Miene zusammen etwas aushecken, um uns zu schaden oder uns zu erpressen.« Diese Möglichkeit war Ottokar eben eingefallen. Noch wusste er nicht so recht, was er tun konnte, doch als er mit Malwine länger darüber sprach, wurde ihm bewusst, dass er den Kutscher so bald wie möglich zum Schweigen bringen musste.
XII.
Nach dem Gespräch mit seiner Frau ließ Ottokar von Trettin den Kutscher kaum noch aus den Augen. Er stellte fest, dass Florin sich von dem restlichen Gesinde auf dem Gutshaus absonderte und dass sich auf seinem Gesicht, wenn er sich unbeobachtet glaubte, Wut, Trauer und Hass abzeichneten. Mit einem Mal wuchs die Angst des Gutsherrn ins Uferlose. Mienes Beschuldigungen allein hatten ihm bislang wenig geschadet. Doch wenn Florin in das gleiche Horn stieß und sogar verlauten ließ, dass er in jener Nacht die Kutsche verlassen hatte, dann bliebe genug an ihm hängen, um ihn in den Augen seiner Standesgenossen unmöglich zu machen. Daher sann der Gutsherr verzweifelt auf eine Lösung, diese Gefahr zu beseitigen.
Eine Möglichkeit wäre gewesen, Florin Geld zu geben und ihn weit weg zu schicken, am besten gleich in dieses Amerika, das ihm seit Lores Abreise immer wieder durch den Kopf spukte. Dies wäre jedoch gleichbedeutend mit der Anerkennung seiner Schuld am Tod der Lehrerfamilie gewesen, und dazu war Ottokar von Trettin nicht bereit. Außerdem wollte er nicht sinnlos Geld ausgeben, wie er zwei Tage später zu Malwine sagte.
Diese lachte spöttisch auf und sah ihn kopfschüttelnd an. »Ich dachte, du wärst ein Mann. Aber wie es aussieht, bist du doch nur eine Memme!«
»Willst du, dass ich ihn umbringe?« Ottokar flüsterte die Worte, doch in seinen Ohren hallten sie wie Donnerschläge.
»Weißt du eine andere Lösung?«, fragte Malwine. »Heute ist sein freier Tag, und was glaubst du, wohin er gegangen ist?«
»Zum Jagdhaus?« Als Malwine nickte, ballte ihr Mann die Fäuste.
»Die drei dort brauen etwas gegen uns zusammen, das spüre ich. Es ist höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.«
»Gegen vier Uhr wird Florin sich wieder auf den Rückweg machen, weil er am Abend die Pferde versorgen muss. Es gibt genug Wilderer in den Wäldern. Wie leicht kann er da auf einen von denen getroffen sein!«
Das war Anstiftung zum Mord, aber Ottokar von Trettin war nun auch davon überzeugt, dass es keinen anderen Weg gab. Er verließ das Zimmer und kehrte gleich darauf wieder zurück. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog er einen Trommelrevolver und mehrere Patronen unter seiner Jacke hervor.
»Die Patronen stammen noch aus meiner Jugendzeit. Damals hat mein Onkel einen Wilderer gefasst und den Behörden übergeben. Ich habe mir einige Patronen genommen, weil ich in jener Zeit selbst ein großer Wilderer werden wollte. Jetzt kann ich sie gut gebrauchen, denn sie passen in meinen amerikanischen Revolver.«
Damit war eigentlich alles gesagt.
Malwine, auf die der mögliche Verlust des Ansehens bedrohlicher wirkte als ein Mord, nickte ihm aufmunternd zu. »Gut! Aber wie willst du es machen?«
»Ich werde am Nachmittag ausreiten, zuerst den Pastor aufsuchen und anschließend Florin im Forstweg abpassen. Danach reite ich nach Elchberg, um mit dem Grafen wegen der neuen Maschine zu sprechen, die er sich aus Amerika hat kommen lassen. Also wird niemand Verdacht schöpfen.« Mit den Worten machte Ottokar sich selbst Mut. Dennoch benötigte er nach dem Mittagessen und dem Nachmittagskaffee zwei Cognac, um seine flatternden Nerven zu beruhigen.
Kurz nach fünfzehn Uhr ließ er seinen Hengst satteln und ritt in die Kälte hinaus. Im Haus des Pastors wurde er wie ein König empfangen. Der Pfarrer führte ihn persönlich in die gute Stube und schenkte ihm einen Cognac ein.
»Bei der Kälte tut so eine Labe gut«, sagte er.
Ottokar von Trettin nickte nur und musste sich zwingen, den Cognac mit Genuss zu trinken, denn am liebsten hätte er ihn hinuntergestürzt und gleich den nächsten verlangt.
Unterdessen brachte die Frau des
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