Dezembersturm
jetzt auf ihn zukam, war jedoch kein Engländer. Fridolin, der trotz seiner Jugend bereits über ein gehöriges Maß an Menschenkenntnis verfügte, hätte seine Erscheinung als hanseatisch korrekt bezeichnet.
»Guten Tag, Herr von Trettin. Mein Name ist Simmern. Ich bin der Beauftragte des NDL für die Untersuchungen des Untergangs der
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. Fräulein Huppach befindet sich derzeit in meiner Obhut.« Thomas Simmern sah sein Gegenüber gespannt an. Fridolin von Trettin erschien ihm noch jünger, als er erwartet hatte. Auch fehlte ihm die Zackigkeit, die einem der Dienst im Militär verlieh. Wie es aussah, war Lores Verwandter ein Zivilist.
Fridolin erwiderte den Gruß und erklärte, wie froh er sei, endlich etwas über Lores Schicksal zu erfahren. Bevor er fortfahren konnte, bremste Thomas Simmern ihn. »Entschuldigen Sie, Herr von Trettin. Ich muss gleich weiter zum Seegericht. Mein Diener wird Sie in unsere Suite bringen. Ihre Nichte hat mich übrigens aus einer äußerst misslichen Lage befreit und sich meines Mündels Nathalia angenommen. Deren Großvater ist bei der Havarie ums Leben gekommen, und ich wüsste nicht, was ich ohne Fräulein Lore getan hätte.«
Das Lächeln, das Simmerns Worte begleitete, nahm Fridolin für ihn ein. »Lore kümmert sich gerne um etwas. Vor ein paar Jahren war es ein kleiner Hase, dessen Mutter von einem Wilderer gefangen worden war. Wir haben sie alle ausgelacht, als sie sich des Tierchens angenommen hat. Aber sie hat ihn durchgebracht und ihn später als strammen Burschen in die Freiheit entlassen.«
Als er den angespannten Gesichtsausdruck seines Gegenübers bemerkte,hob Fridolin entschuldigend die Hände. »Ich will Sie nicht weiter aufhalten, Herr von Simmern.«
»Simmern genügt. Wir in Bremen haben es nicht so mit den Vons!« Onkel Thomas nickte Fridolin noch einmal zu, eilte nach draußen und bestieg die Droschke, die bereits auf ihn wartete. Er war nur geblieben, um Lores Verwandten zu empfangen und sich ein Bild von ihm zu machen. Unsympathisch war ihm dieser Fridolin nicht. Dennoch dachte er auf dem Weg zum Seegericht mehr über diesen jungen Mann nach als über das Urteil, das an diesem Tag gefällt werden sollte.
Unterdessen war Konrad auf Fridolin zugetreten. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Herr von Trettin.«
»Wie geht es Lore? Ich war sehr erleichtert, als ich gleich nach meiner Ankunft in Harwich erfahren konnte, dass sie dieses schreckliche Unglück überlebt hat.« Fridolin versuchte Konrad zum Reden zu bringen, doch der frühere Seemann blieb stumm, bis sie das Zimmer erreicht hatten, in dem sich Lore, Nati, Mary und Prudence aufhielten.
»Freiherr Fridolin von Trettin!«, kündigte er dort den Besucher an.
Lore sprang auf und eilte Fridolin entgegen. »Welch eine Freude, dich zu sehen, Frido!« Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle sie ihn umarmen, doch dann begnügte sie sich damit, ihm die Hand zu reichen.
»Die Freude ist ganz meinerseits. Um es ehrlich zu sagen, mir fällt ein Riesenstein vom Herzen. Was meinst du, was ich für eine Angst ausgestanden habe, als ich in der Zeitung lesen musste, dass ausgerechnet das Schiff, mit dem du nach Amerika fahren wolltest, untergegangen ist.«
»Hat Großvater dich geschickt?«, wollte Lore wissen.
Fridolin schüttelte den Kopf und sah dabei so bedrückt aus, dass Lore bereits wusste, was geschehen war, bevor er das erste Wortüberdie Lippen brachte. »Nach deiner Abreise hat der alte Herr nur noch wenige Tage gelebt und ist zu der Zeit gestorben, in der die
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in Bremerhaven abgelegt hat.«
»So hat er nichts mehr von dem Untergang des Dampfers erfahren. Das ist gut! Auch wenn ich wünschte, er wäre noch am Leben, so bin ich erleichtert, dass er sich nicht noch weitere Sorgen um mich machen musste.« Lore wischte sich die Tränen aus den Augen und fühlte sich in dem Moment von hinten umarmt.
Als sie sich umsah, hing Nati halb auf ihr und bedachte Fridolin mit zornigen Blicken. »Ich mag den Mann nicht, weil er dich traurig macht!«
»Mein Onkel hat mir die Nachricht gebracht, dass mein Großvater verstorben ist. Da werde ich wohl traurig sein dürfen«, wies Lore sie leise zurecht.
Nun traten Mary und Prudence zu ihr, um ihr zu kondolieren.
Nati ließ sie ebenfalls los und streckte ihr die Hand hin. »Das tut mir leid. Ich weiß gut, wie es ist, den Großvater zu verlieren.«
Fridolin betrachtete die Kleine, ohne recht zu wissen, was er von ihr halten sollte. Trotz
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