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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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genommen. Andererseits konnte die Magd ihr helfen, Lore zu bewachen und zur Räson zu bringen. Was ihren Mann betraf, so war sie ganz froh, wenn sie seine rauhen Umarmungen in der Nacht und das, was danach kam, nicht so oft ertragen musste. Wegen ihr sollte er ruhig sein Vergnügen bei der Magd suchen. Sie würde sein schlechtes Gewissen auszunützen wissen und sich mit einpaar hübschen Schmuckstücken und einigen anderen Dingen für seine Untreue entschädigen lassen. Später konnte sie Elsie immer noch davonjagen.
    Unterdessen richtete Lore sich in ihrem Zimmer ein. Zu ihrer Erleichterung fand sie unter dem Bett einen Nachttopf vor, so dass sie nicht gegen die Tür klopfen und betteln musste, zum Abort gelassen zu werden. In Ermangelung eines Schrankes faltete sie ihren Mantel fein säuberlich zusammen und legte ihn auf den Stuhl. Ihre Ersatzwäsche und alles, was Dorothea ihr eingepackt hatte, blieb im Koffer, der als Ersatzkommode herhalten musste.
    Trotz ihrer Anspannung und der im Augenblick nicht gerade angenehmen Situation musste sie sich das Lachen verkneifen. Jemand wie sie, der dreißig Stunden auf der sinkenden
Deutschland
überstanden hatte, ließ sich von Malwines Drohungen gewiss nicht einschüchtern.
    Sie trat ans Fenster und öffnete es, um sich das Gitter anzusehen. Da der Raum als Abstellkammer gedient hatte, waren die Eisenstäbe schon lange nicht mehr überprüft worden. Mit etwas Mühe konnte sie zwei der Stangen entfernen und hätte nun hinaussteigen können.
    Sie blickte jedoch nur an der Hauswand hinab, um festzustellen, ob es eine Möglichkeit gab, hinunterzuklettern. Ihr Bruder Wolfiwar damals einige Male am Haus hoch bis auf das Dach geklettert und wieder herabgestiegen. Wenn es sein musste, würde sie das ebenfalls bewältigen. Schnell zog sie sich zurück, bevor jemand das kaputte Gitter von unten erkennen konnte, und schob die beiden Stangen wieder in ihre alte Lage. Da sie keinen Platz in der Nähe wusste, an dem sie unbemerkt Zuflucht finden und auf Fridolin und Konrad warten konnte, wollte sie eine Weile ausharren, bis sich einer von beiden bemerkbar machte. Als sie noch einen Blick zum Fenster hinauswarf, entdeckte sie am Waldrand den Umriss eines Mannes. War das schon einer ihrer beiden Helfer?Leider verschwand die Person sofort wieder, bevor sie sie genauer in Augenschein nehmen konnte. Daher setzte sich auf das Bett und wartete.

III.
     
    Die Nachricht, dass Ottokar von Trettin Lore zurückgeholt hatte, machte schnell die Runde und erreichte schon nach kurzer Zeit das Jagdhaus im Wald. Während Kord, der die Kutsche gesehen hatte und es den anderen berichtete, mit den Tränen kämpfte und Miene zu jammern begann, nahm Florin das Jagdglas des Doktors und verließ das Haus. Er lief quer durch den Forst, ohne darauf zu achten, ob er Spuren hinterließ, und blieb schließlich hinter dürrem Gestrüpp unter den Bäumen am Waldrand stehen. An dieser Stelle hatte er oft stundenlang auf Ottokar von Trettin gelauert, um den Gutsherrn zu beobachten. Als er nun das Fernglas ansetzte, hatte er jedoch ein anderes Ziel. Er suchte die gesamte Front des Gutshauses ab und entdeckte schließlich Bewegungen hinter einem der vergitterten Fenster im Dachgeschoss.
    Bei genauerem Hinsehen erkannte er Lore und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Er beobachtete noch, wie sie das Fenster wieder schloss, steckte das Fernglas weg und kehrte mit müden Schritten und hängendem Kopf zum Jagdhaus zurück.
    Dort hatten Kord und Miene sich inzwischen gegenseitig in die Verzweiflung getrieben. Florin hörte sich ihr Gejammer kurz an, dann schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Schluss jetzt! Auf die Weise werden wir dem Mädchen bestimmt nicht helfen.«
    »Was können wir schon tun?«, fragte Kord mutlos. »Fast könnte man den Worten des Pastors glauben, Lores Schicksal sei wirklich das Ergebnis der Sünden ihres Großvaters.«
    »Pfaffengeschwätz!«, fuhr Florin ihn an. »Wäre der Pastor ein wahrer Hirte seiner Herde, hätte er schon lange den Mund aufgemacht. Der Pfarrer drüben in Elchberg, der ist schon ein paarmal mit dem Grafen zusammengerumpelt, dass es nur so gescheppert hat. Doch unser Pastor kriecht Ottokar von Trettin in den Hintern.«
    »Vielleicht setzt er sich dennoch für Lore ein, wenn wir ihn recht bitten«, schlug Miene vor.
    Florin schüttelte grimmig den Kopf. »Er wird höchstens versuchen, ihr den Katholizismus mit Ohrfeigen auszutreiben, und ihr ansonsten sagen, es sei Gottes

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