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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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auszuprobieren, was Hede Pfefferkorns Mädchen ihm gezeigt hatten. Das kam ihn auf alle Fälle billiger, als wenn er jedes Mal nach Berlin fahren musste, um sein Vergnügen zu finden. Noch während er überlegte, wie er es am geschicktesten deichseln konnte, dass auf Trettin niemand etwas von den Diensten mitbekam, die Elsie ihm leisten sollte, übermannte ihn die Leidenschaft, und er vergaß alles um sich herum bis auf die junge Frau, die zu allem bereit war, um den Schlägen und dem kargen Lohn zu entkommen, die sie von Ermingarde Klampt erhielt. Da es der Dame nicht gelungen war, Thomas Simmern als Vormund und Vermögensverwalter der kleinen Komtess aus dem Sattel zu heben, konnte Elsie auch nicht mehr auf ein Zusatzeinkommen für besondere Dienste bei Gerhard Klampt hoffen.
    Für Lore interessierten sich die beiden nicht weiter. Um die würde sich Malwine von Trettin kümmern, und das vergönnte Elsie dem Mädchen von Herzen.

ACHTER TEIL
Wieder zu Hause

I.
     
    Es war keine Heimkehr, wie Lore sie sich gewünscht hätte. Ottokar von Trettin brachte sie nicht heimlich zurück, sondern auf eine Weise, als wolle er aller Welt zeigen, dass sie sich nun in seiner Gewalt befand. Schon in Heiligenbeil liefen die Leute an der Straße zusammen und starrten sie und den Gutsherrn an. Das Drama von Trettin war hier Tagesgespräch gewesen, und nun interessierte es viele, wie es mit dieser Familie weiterging. Unter den Neugierigen stand auch Senta, das Hausmädchen von Doktor Mütze. Lore winkte ihr kurz zu und sah gerade noch, wie die Frau erschrocken zusammenzuckte und dann in Richtung Arzthaus davonrannte. Sicherlich wollte sie sofort den Doktor und seine Frau informieren. Doch auch die beiden würden ihr nicht helfen können. Sie musste darauf vertrauen, dass Konrad und Fridolin sie befreiten und in Sicherheit brachten. Der frühere Steuermann würde sie gewiss nicht im Stich lassen.
    Fridolin auch nicht, berichtigte sie sich. Schließlich war er bis nach England gereist, um ihr beistehen zu können. Allerdings fragte sie sich, wie er sich zu Frau Simmerns Plan stellte, sie beide zu verheiraten. Würde er, ein feiner Herr aus Berlin, sich mit einem ostpreußischen Landmädel zufriedengeben, dessen höchstes Ziel es war, später Kleider für feine Damen zu schneidern? Ganz so einfach, das wurde ihr schmerzhaft klar, würde ein Zusammenleben mit ihm nicht werden. Dennoch hoffte sie auf ein gutes Ende und darauf, dem griesgrämigen Ottokar und seiner Malwine ein Schnippchen schlagen zu können.
    Lore vergaß nicht, dass sie sich ihre hoffnungsfrohe Stimmung um Himmels willen nicht anmerken lassen durfte. Aus diesem Grund hatte sie ihrem Onkel von Beginn der Reise an die kalte Schultergezeigt und war weder auf seine noch auf Elsies Versuche eingegangen, mit ihr ein Gespräch anzufangen. Vor allem Elsies Begleitung machte ihr die Rückkehr beinahe unerträglich. Führte sich dieser betrügerische Dienstbolzen doch auf, als wäre Lore eine Gefangene, die es zu bewachen galt. Elsie sperrte sie jeden Abend in das Zimmer ein, das ihr zum Schlafen zugewiesen worden war, während sie selbst in einer Nebenkammer schlief. Doch Lore entging nicht, dass das Dienstmädchen ihr Bett stets erst spät am Abend aufsuchte, und da sie bei weitem nicht mehr so unerfahren war wie vor ihrer Flucht, begriff sie, was die Blicke zu bedeuten hatten, die Elsie und Ottokar von Trettin miteinander wechselten. Zwischen den beiden spielte sich offensichtlich mehr ab, als es bei Herr und Dienerin statthaft war.
    Die Ankunft der Trettiner Kutsche riss Lore aus ihren Gedanken. Auf dem Kutschbock saß nicht mehr Florin, der damals als einer der Ersten zu Ottokar von Trettin gehalten hatte, sondern ein Knecht, den sie nicht kannte. Der stieg so hastig ab, als fürchte er sich vor dem Gutsherrn, und öffnete den Schlag.
    Ottokar von Trettin wollte als Erster einsteigen, besann sich dann aber und drehte sich zu Lore um. »Los, hinein mit dir, du Ausreißerin!«
    Lore gehorchte ohne Widerspruch und nahm mit dem Rücken zur Fahrtrichtung Platz, um nicht neben ihrem Verwandten sitzen zu müssen. Ihr Vormund setzte sich breitbeinig hin, wie er es gewohnt war, während Elsie ein wenig zögerte. Sie wagte jedoch nicht, neben dem Gutsherrn Platz zu nehmen, sondern wählte, wie es sich gehörte, den Platz an Lores Seite.
    »Bald sind wir in Trettin, gnädiger Herr!« Elsie schnurrte wie ein Kätzchen, es war nicht zu übersehen, wie zufrieden sie war. Zwar würde sie

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