Dezembersturm
Wille, dass sie Malwine gehorcht. Nein, der Mann ist keiner, der Gottes Wort predigt! Der redet nur den Mächtigen nach dem Mund.«
»Aber irgendetwas müssen wir doch tun!«, rief Kord entmutigt aus.
»Ihr beide macht gar nichts! Wenn ihr wollt, könnt ihr beten. Diese Sache geht nur mich etwas an«, erklärte Florin mit Nachdruck.
Die beiden anderen starrten einander erschrocken an. »Was hast du vor?«, fragte Kord.
»Nichts, was euch bedrücken sollte!« Florin kehrte den beiden den Rücken zu und öffnete die Tür des Raumes, in dem Wolfhard von Trettin seine Jagdutensilien aufbewahrt hatte und der nun von Doktor Mütze zum selben Zweck benutzt wurde. Kord streckte noch den Arm aus, als wolle er ihn aufhalten, doch ein Blick in Florins versteinertes Gesicht ließ ihn zurückzucken.
»Um Himmels willen, tu nichts, was du später bereuen wirst!«
»Sei versichert, ich werde hinterher gar nichts mehr bereuen.« Florins Stimme klang fast vergnügt, als er Kord auf die Schultern klopfte. Dann trat er in das Zimmer und verschloss die Tür hinter sich.
IV.
Obwohl das Bett nur einen schlichten Strohsack als Matratze aufwies und das Bettzeug muffig roch, war Lore rasch eingeschlafen und wachte erfrischt auf. Während der Nacht hatte sie von Fridolin und Konrad geträumt, die mit immer komplizierter werdenden Methoden versucht hatten, sie zu befreien, und dabei über deren Fehlschläge schallend gelacht. Spuren dieser Erheiterung mussten sich noch auf ihrem Gesicht widerspiegeln, als die Tür geöffnet wurde und mehrere Mägde, von Elsie beaufsichtigt, das Waschwasser und ein Handtuch brachten.
Die Frauen streiften Lore mit teils neugierigen, teils mitleidigen Blicken und sahen so aus, als würden sie am liebsten das Wort an sie richten. Doch Elsie unterband jede Unterhaltung im Ansatz, indem sie die Mägde wieder aus dem Zimmer trieb. Danach lehnte sie sich mit spöttischer Miene gegen den Türrahmen.
»Du solltest dich waschen, bevor das Wasser ganz kalt wird.«
Lore hatte bereits einen Finger hineingesteckt und festgestellt, dass das Wasser so kalt war, wie es im Winter aus dem Brunnen geschöpft wurde. Früher hatte ihr das kaum etwas ausgemacht, denn zu Hause hatte sie sich unter der Woche auch nur kalt waschen können. Warm hatte man im Lehrerhaus nur am Sonnabend gebadet. Die letzten Wochen in den besseren Hotels von Harwich, London und Southampton hatten sie in der Hinsicht verwöhnt.
Da sie die Umstände hier jedoch so nehmen musste, wie sie waren, zuckte sie mit den Schultern und putzte sich die Zähne, bevor sie begann, sich Gesicht und Hände zu waschen. Sich nackt auszuziehen, wie die Gutsmägde es im Waschhaus ungeniert taten, mochte sie in Elsies Anwesenheit nicht.
»Mal…, die gnädige Frau ist ziemlich böse auf dich. Du solltestihr besser gehorchen«, riet die frühere Zofe mit gespielter Freundlichkeit.
»Sie wird mich so oder so schlecht behandeln. Warum also sollte ich etwas tun, das ihr zugutekommt?«, antwortete Lore.
»Du bist schon immer stur gewesen. Aber diesmal wird es dir nichts nützen. Die Gnädige kriegt dich schon klein«, setzte Elsie ihre Sticheleien fort.
Lore kehrte ihr den Rücken zu und zog ihr Hemd aus, um sich doch gründlicher zu waschen, und da die Magd begriff, dass sie nichts mehr erreichen konnte, verließ sie den Raum. Draußen schob sie mit hämischer Zufriedenheit den Riegel vor und begab sich in die Räume des Gutsherrn, angeblich, um dort aufzuräumen. In Wirklichkeit würde sie Ottokar von Trettin auf die Weise befriedigen müssen, die dem Gutsherrn am besten gefiel. Elsie fand es erniedrigend, aber in ihrer Lage konnte sie sich keine Skrupel leisten. Sie brauchte Geld, wenn sie dieses Hinterwalddorf je wieder verlassen und einen neuen Anfang wagen wollte.
In Gedanken drehte sie Gustav, der sie dazu überredet hatte, Lore zu bestehlen und mit ihm in Deutschland zu bleiben, den Hals um. Der Kerl hatte sie eingewickelt wie ein Weihnachtspaket, in einem billigen Hotel in Bremen noch einmal kräftig von hinten genommen und sich dann samt dem Geld und der Seekiste in die Büsche geschlagen. Wäre die
Deutschland
nicht gesunken, sondern mit Lore heil nach Amerika gelangt, würde sie noch immer der verschenkten Chance nachweinen.
»Ist unsere Gefangene heute zugänglicher?«
Malwines Stimme riss Elsie aus ihren Gedanken. Sie knickste und schüttelte den Kopf. »Leider nein, gnädige Frau. Aber ich glaube, dass sie bald kuschen wird.«
»Ich will sie in
Weitere Kostenlose Bücher