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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dieser Fabriken. Da hätte sie es sogar auf Trettin noch besser!
    Ich sage dir, es ist eine Schnapsidee. Hast du mir vielleicht deshalbden Wald verkauft, um Lore mit diesem Geld auf die Reise zu schicken?«
    »Weswegen denn sonst?«, antwortete der Kranke verärgert. »Irgendwie musste ich das Geld doch auftreiben. Aber ich hätte dir das Jagdhaus und den Forst auch so verkauft. Oder glaubst du, Ottokar würde auch nur einen Augenblick zögern, ihn Lore nach meinem Tod abzunehmen und zum Gutsbesitz zu stopfen? Nein, alter Freund. Ich habe alles zu Geld gemacht, was noch irgendwie von Wert war, sogar die paar mir noch verbliebenen Erinnerungsstücke an die glorreiche Vergangenheit derer von Trettin, nach denen Ottokar ebenfalls giert, um seinen Gästen damit das Alter unseres Geschlechts vor Augen führen zu können. Ich habe sogar die verrostete Muskete losgebracht, über die du immer so hergezogen hast. Mir gehört gerade noch meine Leib- und Bettwäsche und das alte Schmuckstück hier, das Lore ab jetzt tragen soll.
    Wenn ich in die Grube fahre, soll nichts übrig bleiben außer einem Haufen Schulden. Die, die jetzt auf Trettin residieren, haben mir zu Lebzeiten alles abgenommen, was sie mit Hilfe von Rechtsverdrehern in die Hände bekommen konnten. Sie sollen nicht auch noch von meinem Tod profitieren!«
    »Das verstehe ich. Aber gibt es denn keine andere Lösung für Lore, als ihr Heimatland zu verlassen?«, wandte Doktor Mütze ein.
    Wolfhard von Trettin hob abwehrend die Rechte. »Wenn es eine gäbe, hätte ich sie ergriffen. Aber solange sie hier in Deutschland lebt, kann Ottokar sie ausforschen und als entlaufenes Mündel zurückbringen lassen. Lore verfügt über ein Paar geschickte Hände und viel Ausdauer. Also soll sie sich von dem Geld, das ich ihr mitgebe, später ein Modegeschäft kaufen. Bis dahin wird sie in New York in einem Ordenshaus der Franziskanernonnen unterkommen. Ich habe mich mit der Oberin des Ordens in Deutsch-land in Verbindung gesetzt. Da ich ihr früher einmal einen Gefallenerwiesen habe, ist sie bereit, sich dafür zu revanchieren. Mit dem gleichen Schiff, auf dem Lore mitfahren soll, reisen auch fünf Nonnen nach Amerika, die dort an deutschen Schulen und in Krankenhäusern arbeiten wollen. Denen wird Lore sich ab Bremen anschließen. Außerdem ist sie bald sechzehn und damit wohl aus den Windeln herausgewachsen.«
    Der Arzt gab sich noch nicht geschlagen. »Aber du kannst deine Enkelin doch nicht allein von Ostpreußen nach Bremen schicken. Sie müsste von Heiligenbeil aus die Eisenbahn benutzen und bis Bremerhaven acht-oder neunmal umsteigen. Das schafft sie nie. Sie wird sich hoffnungslos verirren und irgendwo im hintersten Bayern landen!«
    »Nein, das wird sie nicht!«, erklärte Wolfhard von Trettin in einem Ton, mit dem er sich jeden weiteren Widerspruch verbat.
    »Elsie wird Lore begleiten und auf sie aufpassen. Das Mädchen war, bevor es zu uns kam, Zofe bei einer alten Dame, die von einem mondänen Badeort zum anderen gereist ist. Als Belohnung bekommt Elsie ein hübsches Sümmchen. Sie hat mir versprochen, so lange bei Lore zu bleiben, bis diese bei den Nonnen in der Neuen Welt gut untergebracht ist. Danach will sie sich drüben einen Mann suchen und mit diesem zusammen ein Geschäft aufmachen. Wenn sie ihr Geld zusammenhält, wird ihr beides gelingen.«
    Doktor Mütze war bislang der Meinung gewesen, Wolfhard von Trettin würde seine Enkelin einem Freund außerhalb Preußens, aber eben noch im Deutschen Reich anvertrauen, in dessen Schutz sie sich bis zu ihrer Volljährigkeit verstecken konnte. Jetzt zu hören, dass der alte Herr Lore bis nach Amerika schicken wollte, bestürzte ihn.
    Während der Arzt überlegte, wie er seinen Freund und Patienten doch noch zur Vernunft bringen könnte, sann Lore darüber nach, welcher Schicksalsschlag Elsie getroffen haben mochte, dass diese von der Zofe einer bessergestellten Dame zum schlechtbezahltenDienstmädchen herabgesunken war. Da Elsie ihr gegenüber nie etwas von ihrer Zeit als Zofe erwähnt hatte, musste der Grund dafür sehr schmerzlich gewesen sein. Nun wunderte sie sich auch nicht mehr, warum das Dienstmädchen seine Arbeit nur widerwillig leistete.
    Ihr Großvater sah seinem Freund an, dass dieser noch immer nicht mit seiner Entscheidung einverstanden war, und fasste nach dessen Hand. »Es gibt keine andere Möglichkeit, alter Knochenflicker. Ich weiß, was das Richtige für meine einzige Enkelin ist! Komm her, Mädchen,

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