DGB 02 - Falsche Götter
aber wo sind die anderen? Wo
bin ich?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Sejanus. »Ich war schon oft hier, habe aber noch nie ein Abbild von Ihnen gese hen.«
»Ich bin sein auserwählter Regent!«, rief Horus. »Ich habe auf tausend Schlachtfeldern für ihn gekämpft. Das Blut meiner Krieger klebt an seinen Händen, und er ig noriert mich, als existierte ich nicht?«
»Der Imperator hat Sie im Stich gelassen, Kriegsmeis ter«, sagte Sejanus drängend. »Bald wird er seinem Volk den Rücken kehren, um sich seinen Platz unter den Göt tern zu sichern. Er interessiert sich nur für sich und
seine Macht und Herrlichkeit. Wir wurden alle getäuscht. Für uns ist kein Platz in seinem großen Plan, und wenn die Zeit gekommen ist, wird er uns allen den Rücken kehren und sich zur Gottheit aufschwingen. Während wir in seinem Namen Krieg um Krieg ausfechten, baut er ins geheim im Warp seine Macht aus.«
Der monotone Vortrag des fetten Mannes — ein Pries ter, ging Horus plötzlich auf — setzte sich fort, während die Pilger weiter ihre langsame Prozession um ihren Gott vollführten und Sejanus' Worte in seinen Schädel hämmerten.
»Das kann nicht wahr sein«, flüsterte er.
»Was tut ein Wesen von der Bedeutung des Impera tors, nachdem es die Galaxis erobert hat? Was bleibt noch für ihn außer Göttlichkeit? Welche Verwendung hat er für jene, die er zurücklässt?«
»Nein!«, rief Horus, indem er von dem Sockel sprang und den leiernden Priester zu Boden schlug. Der augmetische
Prediger-Hybrid wurde von der Kanzel abge rissen und lag schreiend in einer Lache aus Blut und Öl. Sein Geschrei wurde von den Fanfaren der schwe benden Kleinkinder über den Platz verbreitet, obwohl keiner aus der Menge geneigt zu sein schien, ihm zu helfen.
Horus stürmte in blinder Wut auf den dicht bevölker ten Platz und ließ Sejanus hinter sich auf dem Sockel der Statuen zurück. Wieder teilte sich die Menge, ebenso blind für ihn wie
bei seiner Ankunft.
Augenblicke spä ter erreichte er den Rand des Platzes und bog auf den nächsten Prachtboulevard ein. Alles war voller Leute, doch auch sie ignorierten ihn, als er sich einen Weg
durch sie bahnte. Alle Gesichter waren verzückt dem Bild des Imperators
zugewandt.
Ohne Sejanus an seiner Seite ging Horus plötzlich auf, dass er vollkommen allein war. Er hörte das Heulen eines entfernten Wolfs, das wieder klang wie sein Name, blieb in der Mitte der überfüllten Straße stehen und lauschte. Doch das Wolfsgeheul war so plötzlich ver stummt, wie es begonnen hatte.
Die Massen fluteten an ihm vorbei, während er lausch te, und Horus sah, dass ihm niemand auch nur die ge ringste Aufmerksamkeit schenkte. Seit der Trennung von seinem Vater und seinen Brüdern hatte er sich nicht mehr so isoliert gefühlt. Als ihm aufging, wie sehr er unter der Bewunderung seiner Umgebung aufblühte, wurde er schmerzhaft mit seiner eigenen Eitelkeit und seinem Stolz konfrontiert.
In allen Gesichtern sah er dieselbe blinde Verehrung wie bei den Menschen, welche die Statuen umkreisten: hingebungsvolle Ehrerbietung für einen Mann, den er Vater nannte. War diesen Leuten nicht klar, dass die Siege, die ihnen die Freiheit gebracht hatten, mit seinem Blut errungen worden waren?
Es hätte Horus' Statue sein müssen, die von seinen Primarchenbrüdern umgeben war, nicht die des Impera tors!
Er ergriff den nächstbesten Mann an der Schulter, schüttelte ihn und brüllte: »Er ist kein Gott! Er ist
kein Gott!«
Das Genick des Pilgers brach mit einem lauten Kna cken, und Horus spürte, wie die Schulterknochen des Mannes unter seinem eisernen Griff splitterten. Entsetzt ließ er den toten
Mann fallen und rannte tiefer ins Stra ßengewirr der Schreinwelt. Wahllos bog er nach rechts oder links ab, um sich in den überfüllten Gassen zu ver lieren.
Alle Wege führten ihn in weitere Straßen mit Pilgern und
Wundern, die der Herrlichkeit des Gott-Impera tors
gewidmet waren. Straßen, auf denen jeder Pflaster stein mit Gebeten beschriftet war, mit
kilometerhohen Beinhäusern aus vergoldeten Knochen und Wäldern aus Marmorsäulen. Bilder ungezählter Heiliger
prang ten darauf.
Riesige Gebetsschiffe schwebten über diesem Teil der Stadt, monströse Zeppeline mit Messingsegeln und riesigen Propellermotoren. Lange Gebetsbanner hingen von ihren fetten silbernen Rümpfen herab, Hymnen plärrten aus Lautsprechern von der Form schwarzer Schädel.
Horus passierte ein großes Mausoleum, wo Scharen
elfenbeinhäutiger Engel
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