DGB 02 - Falsche Götter
mit messinggefiederten Flügeln aus dunklen Bogengängen flogen und sich in der vor dem Gebäude versammelten Menge niederließen. Die ernsten Engel flogen über den heulenden Massen hin und her und sammelten sich ab und zu, um eine ekstatische
Seele herauszupicken. Schreie der Verzückung und des Lobes folgten den Auserwählten, wenn sie durch die furchtbaren Portale des Mausoleums getragen wurde.
In jedem Buntglasfenster sah Horus die Verherrli chung des Todes, in den Schnitzereien jeder Tür Vereh rung.
Grabelegien erklangen aus den Fanfaren geflügel ter Kinder, die lachten, während sie über der Menge kreisten wie Raubvögel. Flatternde Knochenbanner
klap perten. Wind pfiff durch die
Augenhöhlen von Schä deln, die auf
Bronzestangen in Särgen steckten. Mor bidität
hüllte diese Welt ein wie ein Leichentuch, und Horus konnte die düstere
gotische Feierlichkeit dieser neuen Religion
nicht mit der dynamischen Kraft von Wahrheit,
Vernunft und Zuversicht in Einklang brin gen, die den Großen Kreuzzug zu den Sternen getrieben hatte.
Hohe Tempel und grimmige Schreine huschten ver schwommen
an ihm vorbei. Mönche und Prediger re deten
an jeder Straßenecke zum Geläut Unheil verhei ßender Glocken auf die
Pilger ein. Wohin Horus auch blickte, sah er
Mauern, die mit Fresken, Gemälden und Relief-Arbeiten
vertrauter Gesichter geschmückt waren - derjenigen
seiner Brüder und des Imperators.
Warum
gab es kein Bild von Horus?
Es war, als habe er nie existiert. Er sank auf die Knie und
reckte die Fäuste in den Himmel.
»Vater, warum hast du mich verlassen? «
Die Rächender Geist kam Loken leer vor. Die solide, be ruhigende Ausstrahlung des Kriegsmeisters, so lange als selbstverständlich betrachtet, fehlte schmerzlich.
Die Gänge des Schiffs
waren leerer und hohler, wie eine Waffe ohne Munition — ehemals machtvoll, doch
nun nur noch inaktives
Metall.
Bestimmte Bereiche waren zwar immer noch voller Menschen, die in kleinen Gruppen um Kerzen zusam menhockten und sich bei den Händen hielten, aber dem Schiff haftete insgesamt eine Leere an, die Loken aus höhlte.
Jede Gruppe, die er passierte, umschwärmte ihn und vergaß den Respekt vor einem Astartes-Krieger. Sie ver suchten, etwas über das Schicksal des Kriegsmeisters zu erfahren. War er tot? War er am Leben? Hatte der Impe rator von Terra die Hand ausgestreckt, um seinen ge liebten Sohn zu retten?
Loken ließ alle verärgert abblitzen und bahnte sich einen Weg zur Archivkammer Drei, ohne Fragen zu beantworten. Er wusste, dass Sindermann dort sein würde — dieser Tage war er immer dort.
Er würde for schen und über seinen Büchern kauern wie ein Besesse ner.
Loken brauchte Informationen über die Schlangen loge, und er brauchte sie schnell.
Die Zeit wurde knapp. Er hatte schon einen Umweg durch das Sanitätsdeck gemacht und das Anathame bei Apothekarius Vaddon abgeliefert.
»Seien Sie äußerst vorsichtig damit, Apothekarius«, warnte Loken, indem er den Holzkoffer vorsichtig auf den stählernen Operationstisch zwischen ihnen stellte.
»Das ist eine Waffe der Kinebrach und wird Anathame genannt. Sie wurde aus einem bewussten Xenos-Metall geschmiedet und ist absolut tödlich. Ich glaube, sie ist der Grund für die
Krankheit des Kriegsmeisters. Tun Sie, was Sie können, um herauszufinden, was passiert ist, aber tun Sie's
schnell.«
Vaddon
war vollkommen perplex, dass Loken mit etwas
zurückgekehrt war, das tatsächlich von Nut zen sein mochte, und hatte nur genickt. Er hatte das Anathame an dessen mit Gold verziertem Knauf
genom men und in eine
spektrografische Kammer gelegt.
»Ich kann nichts versprechen, Hauptmann Loken«, hatte Vaddon gesagt, »aber ich werde tun, was in meiner Macht steht, um eine Antwort zu finden.«
»Mehr verlange ich nicht, aber je eher, desto besser. Und verraten Sie niemandem, dass Sie diese Waffe haben.«
Vaddon hatte genickt und sich wieder seiner Arbeit zugewandt, und Loken hatte sich aufgemacht, Kyril Sin dermann in den Archiven des gewaltigen Schiffs zu su chen. Die Hilflosigkeit, die er zuvor empfunden hatte, war verschwunden nun, denn nun hatte er ein Ziel: Er versuchte, Horus zu retten, und dieses Wissen
erfüllte ihn mit neuer Hoffnung, dass
es noch eine Möglich keit gab,
ihn an Körper und Seele unbeschadet zurück zuholen.
In den Archiven war es immer still, doch nun lag Trostlosigkeit über allem. Loken lauschte angestrengt, um überhaupt etwas zu hören, und schnappte schließ lich ein Kratzen aus den
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