DGB 02 - Falsche Götter
beendete Ge dichte füllten den Raum, aber die Fruchtbarkeit seiner Muse war so maßlos, dass er nicht damit rechnete, sie in absehbarer Zeit zu erschöpfen.
Er hatte gehört, dass der Krieg gegen die Bewohner von Aureus vorbei war, dass die Sons of Horus die letzte Zitadelle in
einer Schlacht eingenommen hatten, die von der Gerüchteküche im Schiff bereits als das Weiße-Berge Massaker bezeichnet wurde. Er kannte noch nicht die ganze Geschichte, aber mehrere Quellen, die er im Laufe der zehn Kriegsmonate erschlossen hatte, würden ihn ganz sicher mit saftigen Einzelheiten versorgen.
Er hörte ein kurzes Klopfen an seiner Schleusenjalou sie
und rief: »Herein!«
Karkasy schrieb weiter, während sich die Jalousie öffnete,
zu konzentriert, um auch nur aufzublicken. »Ja?«, fragte er. »Was kann ich für Sie tun?«
Er bekam keine Antwort, also blickte er gereizt auf und sah einen gerüsteten Krieger stumm vor sich stehen.
Zuerst verspürte er einen Anflug von Panik, als er das lange Schwert und den harten metallischen Glanz
einer gehalfterten Pistole erblickte, doch als er sah, dass es Petronella Vivars Leibwächter war, entspannte er sich wieder. Maggard
oder so ähnlich hieß er.
»Nun?«,
fragte er wieder. »Wollten Sie irgendwas?«
Maggard schwieg, und Karkasy fiel wieder ein, dass der Mann stumm war. Ihm kam der Gedanke, wie dumm es war, einen solchen Boten zu senden.
»Ich
kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie mir nicht sagen
können, warum Sie hier sind«, sagte Karkasy langsam, um zu gewährleisten, dass der Mann ihn ver stand.
Daraufhin zog Maggard ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seinem Gürtel und hielt es ihm mit der linken Hand hin. Der Krieger unternahm keinen Versuch, näher zu treten, also legte Karkasy das Bondsman mit einem resignierten Seufzer beiseite und erhob seine Körperfülle
von der Pritsche.
Karkasy tastete sich durch die Stapel der Notizbücher
und nahm das Blatt. Es war sepiafarbener Papyrus mit einem
durchgängig kreuzschraffierten Muster, wie er in
den gyptischen Städten hergestellt wurde. Ein wenig grell für seinen Geschmack, aber offensichtlich
teuer.
»Von wem könnte das sein?«, fragte Karkasy, be vor ihm wieder einfiel, dass dieser Bote nicht sprechen konnte. Er schüttelte den Kopf mit einem nachsichtigen Lächeln, entfaltete den Papyrus und überflog den In halt.
Er runzelte die Stirn, als er in den Worten Zeilen aus
seinen eigenen Gedichten erkannte, düstere Bilder und starke Symbolik, aber die Reihenfolge stimmte nicht. Sie waren aus einem
Dutzend verschiedener Werke zusam mengestückelt.
Karkasy las fertig, und seine Blase leerte sich, als ihm die Bedeutung
der Botschaft und die Absicht ihres Über bringers aufging.
Petronella marschierte in ihrem Quartier auf und ab, da sie ungeduldig darauf wartete, mit der Übertragung der letzten Gedanken ihres Leibwächters zu beginnen. Die Zeit, die Maggard mit den Astartes verbracht hatte, war äußerst fruchtbar gewesen, und sie hatte bereits sehr viel
erfahren, das ihr verborgen geblieben wäre.
Jetzt drängte sich eine Struktur auf, eine tragische Ge schichte, die in umgekehrter Reihenfolge erzählt wurde. Sie würde auf dem Totenbett des Primarchen beginnen, mit einem triumphalen Coda, der von seinem Überleben und
den noch zu erwartenden Glorien kündete.
Schließ lich wollte sie sich nicht nur auf ein Buch beschränken.
Sie hatte sogar schon einen Titel im Auge, der, wie sie glaubte, die Materie korrekt vermittelte und außerdem auch sie selbst einschloss.
Sie würde dieses Meisterwerk In den Fußstapfen der Götter nennen und hatte bereits die erste Zeile geschrie ben — diesen wichtigsten Teil der Geschichte, der den Leser entweder packte oder kaltließ. Sie entsprachen ihren eigenen entsetzten Gedanken im Augenblick des Zusammenbruchs des Kriegsmeisters.
Ich war da an dem Tag, als Horus fiel.
Die Zeile hatte die richtigen tonalen Qualitäten und machte dem Leser unmissverständlich klar, dass er et was sehr Profundes lesen würde, und dennoch blieb das Ende der Geschichte ein eifersüchtig gehütetes Geheim nis.
Alles kam zusammen, aber Maggard verspätete sich mit der Rückkehr von seinem letzten Ausflug in die Welt der Astartes, und ihre Geduld ging zur Neige. In ihrer
Nervosität hatte sie aus Babeth bereits ein weinendes Nervenbündel gemacht und sie in die winzige Kammer verbannt, die ihr als Schlafgemach diente.
Als sich ihre Quartiertür zum Empfangsraum öffnete, marschierte sie sofort
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