DGB 04 - Kreuzer Eisenstein
brutal,
erbarmungslos und kaltherzig. Es stimmte zwar, dass sie aus ihrer Kriegführung
nur selten einen Zeitvertreib machten, aber sie waren bei weitem nicht so ernst
und verbissen, wie mancher gern glaubte. Im Vergleich zu den Geschichten, die
Kaleb über stoische und leidenschaftslose Legionen wie die Ultramarines oder die
Imperial Fists gehört hatte, konnte man die Death Guard fast noch als
halsstarrig und aufrührerisch bezeichnen.
Als er um eine Stütze
herumging, wurde er durch raues Gelächter aus seinen Gedanken gerissen. Er
zögerte. Kommandant Grulgor stand ihm im Weg und unterhielt sich leise und
amüsiert mit einem Astartes seiner Zweiten Kompanie. Die beiden Männer hatten ihre
Panzerhandschuhe ineinander verschränkt, und obwohl es in dem schwach
beleuchteten Gang sehr düster war, konnte Kaleb erkennen, wie Grulgor dem
anderen Mann ein scheibenförmiges Messingabzeichen überreichte.
Ihm war sofort klar, dass er
Zeuge eines privaten Moments geworden war, bei dem Astartes nicht von
Außenstehenden gestört werden sollten, erst recht nicht von einem gewöhnlichen
Diener wie ihm. Aber Kaleb konnte sich nirgendwo verstecken, und wenn er
kehrtmachte, würde ihn das Geräusch des Wagens verraten.
Gegen seinen Willen räusperte
er sich, zwar nur sehr leise, doch offenbar laut genug, um den Kommandanten
abrupt verstummen zu lassen.
Kaleb starrte auf den Boden und
sah nichts von dem verächtlichen Gesichtsausdruck, mit dem sich Grulgor ihm
zuwandte.
»Garros kleiner Leibeigener«,
sagte der Kommandant. »Hast du gelauscht, wo du nicht lauschen sollst?« Er machte
einen Schritt auf Kaleb zu, der gegen seinen Willen vor dem Astartes
zurückwich.
Grulgors Stimme nahm den
Tonfall eines Lehrers an, der seinem Schüler etwas an einem lebenden Objekt
erklärte. »Weißt du, was das ist, Bruder Mokyr?«
Der andere Mann musterte Kaleb
ohne Gefühlsregung. »Das ist kein Servitor, Kommandant. Nicht genug Stahl und
Kolben. Es erinnert an einen Mann.«
Grulgor schüttelte den Kopf.
»Kein Mann, sondern ein Leibwächter.«
Die Betonung verriet seine
unverhohlene Verachtung. »Ein trauriges Überbleibsel aus früheren Tagen. Ein
verstaubtes Relikt.« Der Kommandant spreizte die Hände.
»Sieh es dir an, Mokyr. So
sieht das Versagen aus.«
Kaleb riss sich zusammen.
»Lord, wenn Sie gestatten, ich muss meine Aufgaben erledigen ...«
Er wurde völlig ignoriert.
»Bevor unser Primarch neues, kraftvolles Blut in unsere Legion brachte, gab es
viele Rituale und Traditionen, an denen die Astartes festhielten. Die meisten
alten Zöpfe wurden abgeschnitten.« Angewidert verzog Grulgor das Gesicht.
»Einige existieren aber immer noch, was wir Männern zu verdanken haben, die sich
daran klammern, obwohl sie es besser wissen sollten.«
Mokyr nickte. »Hauptmann
Garro.«
»Ja, Garro«, bestätigte Grulgor
abfällig. »Er lässt zu, dass Sentimentalitäten seine Urteilsfähigkeit
beeinflussen. Oh, er ist ein guter Krieger, das muss ich ihm zugestehen, aber
unser Bruder Nathaniel denkt und handelt altmodisch, er ist zu sehr seinen
terranischen Wurzeln verhaftet.«
Der Astartes beugte sich zu
Kaleb vor und senkte die Stimme.
»Oder täusche ich mich da etwa?
Kann es sein, dass Garro dich nicht behält, weil es Tradition ist, sondern weil
du ihn an etwas erinnerst? Weil du ein lebendes Beispiel dafür bist, was es
heißt, ein Versager zu sein?«
»Bitte«, sagte Kaleb, der den
Griff des Wagens so fest umschlossen hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
»Ich verstehe nicht«,
entgegnete Mokyr sichtlich verwirrt.
»Wie soll dieser Leibeigene ein
Versager sein?«
»Ah«, machte Grulgor und wandte
sich ab. »Durch eine Laune des Schicksals hätte dieser Taugenichts ein
Angehöriger der Legiones Astartes werden können. Er könnte jetzt dort stehen,
wo du stehst, er könnte deine weiße Rüstung tragen, er könnte für das Imperium
kämpfen. Unser Freund war so wie jeder von uns einmal ein Bewerber für die XIV
Legion, doch es fehlte ihm an Größe, um die Aufnahmeprüfungen zu überstehen.
Seine eigene Schwäche bedeutete seine Verdammnis.« Der Kommandant tippte sich nachdenklich
ans Kinn. »Sag mir, Diener, wann wurde dein Wille gebrochen? Bei der
Überquerung der schwarzen Ebenen? Im Tunnel der Gifte?«
»Der Dornengarten, Lord«,
flüsterte Kaleb. Die verhasste Erinnerung kam wieder an die Oberfläche,
gegenwärtig und schmerzhaft, obwohl das Geschehene Jahre zurücklag. Als er an
die giftigen Dornen auf der
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