DGB 06 - Gefallene Engel
vorbei
war, folgte die Zeit der unvermeidlichen gesellschaftlichen Formalitäten. Die Astartes
und ausgewählten Würdenträger mischten sich untereinander und unterhielten
sich, während sich Dienstpersonal in Flottenlivree mit Silbertabletts voller
Wein und Speisen durch die Menge schob.
Zahariel, der sich bei solchen
Anlässen stets unbehaglich fühlte, gab sein Bestes, umso wenig wie möglich aufzufallen.
Es dauerte nicht lange, bis er vor einem Panoramafenster stand, von dem aus er
die sich langsam in der Leere des Alls drehende Welt Sarosh betrachtete — ganz
so wie ein paar Stunden zuvor, als er sich an Bord der Calibans Zorn mit
Nemiel am Anblick des Planeten erfreut hatte.
Vielleicht sagte es etwas über
die Besonderheiten der Einstellung der Dark Angels aus — auf jeden Fall
interessierte ihn in diesem Moment am meisten, wie viel größer das
Aussichtsdeck der Unbezwingbare Vernunft im Vergleich zu dem der Calibans
Zorn war.
Von den klösterlichen
Traditionen des Ordens geprägt, neigten die Dark Angels in ihrer Art zu einer
spartanischen Nüchternheit.
Jeder Zentimeter an Bord eines Schiffs
der Dark Angels diente einem kriegerischen Zweck — vom Waffenkontrollraum bis
hin zu den Übungskäfigen, in denen die Astartes ihr kämpferisches Geschick weiter
verbesserten.
Im Gegensatz dazu ließ das
Innenleben dieses Schiffs Zahariel eher an den Palast eines Adligen denn an ein
Kriegsschiff denken.
Vermutlich gab es einen Grund
dafür, ein Schiff so auszu-schmücken, dass es im Einklang mit der Größe und der
Pracht des Imperiums stand. Doch in seinen Augen waren Dekorationen,
Verzierungen und anderer Schmuck, der praktisch jede freie Fläche im
Schiffsinneren bedeckte und für ein dem Krieg dienendes Schiff zu prahlerisch
war.
Natürlich wiesen auch die
Schiffe der Dark Angels ein gewisses Maß an Dekoration auf, jedoch durchweg dezent
gehalten.
Türen, Wände und Decken der Unbezwingbare
Vernunft dagegen waren bis zum Überfluss vergoldet. Wenn ein Raum einen
Dialog zwischen seinem Architekten und den Leuten darstellte, die ihn
benutzten, dann schrie dieses Aussichtsdeck seine Nutzer momentan mit einem
Dutzend wetteifernder, wüster Stimmen an.
Das Deck war riesig und wurde
von einem immensen Kuppel-dach überspannt, so dass es an die großen, nur noch
als Ruinen existierenden Kathedralen des antiken Caliban erinnerte. Eine ganze
Wand wurde von dem Aussichtsfenster beherrscht, vor dem er stand. Bei einer
Höhe von über sechzig Metern bestand es aus einer Reihe großer gewölbter
Flächen, als handele es sich um ein Bleiglasfenster in einem heidnischen
Gebetshaus.
Dabei war es weniger diese
beeindruckende Konstruktion, sondern vielmehr das, wofür sie stand. Das
Aussichtsdeck mochte noch so sehr im Einklang mit der Botschaft des Imperiums
gestaltet worden sein, mit Fresken der größten Siege und mit Wand-gemälden, die
jeden Kapitän darstellten, der in den letzten zweihundert Jahren dieses Schiff
befehligt hatte. Aber das änderte nichts daran, dass dieser Ort an viele
Stätten der Götzenanbetung erinnerte, die in der frühesten Phase der Welt von
den Menschen auf Caliban zerstört worden waren.
»Das sieht aus wie der
Arbeitsplatz eines Freudenmädchens«, sagte eine raue Stimme hinter ihm und
verlieh dem Anblick eine andere Perspektive.
Zahariels verbessertes Gehör
hatte ihn frühzeitig wahrnehmen lassen, dass sich ihm ein Astartes-Bruder
näherte. Er drehte sich um und entdeckte Kurgis, der zwei Weinkelche hielt. In
seinen gigantischen Händen wirkten sie so winzig wie Fingerhüte.
»Wie bitte? Ich kann Ihnen
nicht folgen, Bruder.«
»Dieser Ort hier.« Kurgis
machte eine Kopfbewegung, die das gesamte Aussichtsdeck einschloss.
»Ich wollte damit sagen, ich
denke darüber genauso wie Sie, Bruder. Zu viel Flitter, zu viel Gold. Wie ein
Freudenhaus in den Städten der Palatine, aber kein Kriegsschiff.«
»Bin ich so leicht zu
durchschauen?«, fragte Zahariel.
»Woher konnten Sie wissen, was
ich denke? Sind Sie einer der Scriptoren der Legion?«
»Nein, ich bin kein Psioniker.
Manche Menschen sind sehr begabt darin, ihre Gedanken vor anderen zu verbergen.
Man kann ihnen eine Ewigkeit lang ins Gesicht sehen, und trotzdem wird man
nicht wissen, was ihnen durch den Kopf geht. Aber Sie haben offen Ihre
verdrießliche Miene gezeigt, als Sie sich hier umsahen. Daran konnte ich Ihre
Überlegungen ablesen.«
»Sie haben richtig geraten«,
gab Zahariel zu.
»Es hat mir geholfen, dass ich
die
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