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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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des Rundsaals getragen, und Zahariel spürte bei jedem
Wort, wie ihm ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Nur der Löwe und
Luther klangen so kraftvoll und volltönend.
    »Ich bin nur ein einfacher
Mann«, fuhr er fort. »Ein Krieger und Ritter. Ich halte keine Ansprachen, und
ich mache kein großes Theater, aber der Löwe hat mich gebeten, heute zu euch zu
sprechen, obwohl mir das keineswegs liegt. Ich bin nach Aldurukh zurückgekehrt,
um eine Weile mit den Ritterausbildern zusammen-zuarbeiten, daher gehe ich
davon aus, dass ich euch alle in den kommenden Wochen und Monaten oft zu sehen bekommen
werde, bevor ich wieder in die Wälder aufbreche.«
    Zahariel spürte, wie sich sein
Pulsschlag rasant erhöhte. Er würde womöglich von Amadis Unterricht erhalten!
Seine Erregung war schier unkontrollierbar.
    »Wie ich bereits sagte, habe
ich keinen Hang zum Theatralischen, aber ich weiß um dessen Wert für euch und
mich«, sprach Amadis.
    »Mich hier vor euch zu sehen,
wird in euch den Wunsch wecken, der beste Ritter zu werden, weil ich euch etwas
vorlebe, wonach ihr streben könnt. Weil ich für euch der Grund bin, euch selbst
zu übertreffen. Wenn ich in eure Gesichter sehe, erinnert es mich an mich
selbst: woher ich komme und was ich war. Viele Geschichten wurden über mich erzählt,
und einige davon stimmen sogar ...«
    Höfliches Gelächter machte sich
im Saal breit.
    »Genau genommen stimmen sogar
die meisten dieser Geschich-ten, doch darum geht es hier nicht. Es geht mir um
etwas anderes: Wenn ein Mensch eine Sache wieder und wieder zu hören bekommt,
wird er sie irgendwann glauben. Wenn man einem Kind oft genug sagt, es sei nutzlos
und verabscheuungswürdig, dann wird es nach einer Weile diese gehässigen Dinge
auch für wahr halten. Sagt man einem Mann, er sei ein Held und Gigant, wird er
dem ebenfalls Glauben schenken, und er wird der Ansicht sein, über den anderen
zu stehen. Wird ein Mann genügend mit Lob überschüttet, wird er davon überzeugt
sein, dass er dieses Lob auch verdient hat und sich alle anderen vor ihm
verbeugen müssen. Wenn ich euch hier sehe, dann wird mir vor Augen geführt, dass
ich kein solcher Mann bin. Ich war einst auch nur ein Junge, der Novize sein
wollte und eine kalte Nacht vor den Toren dieses Klosters verbrachte. Auch ich
bin auf der Spirale entlanggegangen, und ich begab mich ebenfalls auf die Suche
nach einer Bestie, um meinen Nutzen für den Orden unter Beweis zu stellen. Ihr
steht da, wo ich früher stand, und ich stehe dort, wo ihr einmal stehen
könntet.«
    Amadis' Rede schien direkt an
Zahariel gerichtet zu sein, und er wusste, er würde diesen Moment für den Rest
seines Lebens nicht mehr vergessen, immer an diese Worte denken und sein Leben
nach ihnen ausrichten.
    Was der heldenhafte Ritter zu
sagen hatte, ging über das bloße Wort hinaus. Als sich Zahariel umschaute, musste
er erkennen, dass sich jeder Ritter, jeder Anwärter und jeder Novize direkt
angesprochen fühlte.
    Tosender Applaus und
lautstarker Jubel brachen los, Ritter und Anwärter erhoben sich von ihren
Plätzen, um Beifall zu spenden.
    Eine solche Begeisterung konnte
man in Aldurukh sonst fast nie erleben, und Zahariel war förmlich überwältigt.
Er sah Nemiel an, der von dieser Welle gleichfalls mitgerissen wurde und vor
Stolz strahlte.
    So gewaltig, kraftvoll und
überzeugend waren Amadis' Worte, dass Zahariel in diesem Moment für sich selbst
den Eid ablegte, der bedeutendste Ritter zu werden, den der Orden jemals
gesehen hatte, der heroischste Krieger, der das große Gedenkportal
durchschritt, um den Feinden Calibans den Kampf anzusagen.
    Auch wenn ein solcher Eid von
Stolz und Hochmut geprägt war, nahm sich Zahariel zugleich vor, niemals aus den
Augen zu verlieren, was das Rittertum ausmachte; nicht die Demut zu
vernachlässigen, von der alle großen Taten begleitet werden mussten. Und nicht zu
vergessen, wie gut es war, einfach nur das Richtige zu tun.
    Schließlich verstummte der
Applaus, da Amadis die Arme hob.
    »Genug, Brüder, genug!«, rief
er lächelnd. »Dafür bin ich nicht hergekommen. Entgegen meiner einleitenden
Worte habe ich jetzt wohl doch so etwas wie eine Ansprache gehalten. Ich hoffe,
sie ist nicht zu langweilig ausgefallen!«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Drei
     
     
     
    DER ALPTRAUM BEGANN STETS
GLEICH. Es war vor zwei Jahren, als er erst sieben war und einer von fast
zweihundert Bewerbern, die zum

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