DGB 07 - Legion
Kameraden, dass der aus diesen Fakten selbst die notwendigen
Schlussfolgerungen zog.
Chayne hatte für sich bereits
entschieden, was der Zettel be-deutete, und er war davon überzeugt, dass Eiman
und Belloc zur gleichen Erkenntnis gelangt waren. Wie vermutet, waren bei Mon
Lo im Geflecht der imperialen Befestigungen Spionageaktivitäten im Gange. Die
Spione waren gut, klug und bestens ausgerüstet.
Wem ihre Loyalität galt, war
indes unklar. Bislang hatte Chayne die Nurthener im Verdacht gehabt, doch von
denen hätte keiner eine Notiz in Niedergotisch verfasst, es sei denn, die
Imperialen hatten die Fähigkeit des Gegners zur psychologischen Krieg-führung
ganz erheblich unterschätzt.
Die Notiz bedeutete einiges,
vor allem stand sie für Selbst-überschätzung, und die stellte bei einer Person grundsätzlich
eine fatale Schwäche dar. Eine emotionale Schwäche. Es war eine beachtliche
Leistung, dem extrem wachsamen Gitternetz eines imperialen Sicherheitssystems
zu entwischen, doch es war eine ganz andere Sache, wenn man dann auch noch
zugab, dass man dort gewesen war, wenn man eine Spur, ein Autogramm, eine
Visitenkarte hinterließ. Warum machte sich jemand die Mühe, sich einer
Entdeckung so perfekt zu entziehen, wenn er sich dann auch noch damit rühmte,
entwischt zu sein? Zwei Motive kamen Chayne in den Sinn: Jemand wollte sich ein
Katz-und-Maus Spiel mit ihm liefern, oder aber derjenige war so von seinem
Können überzeugt, dass das Ködern zu seinem Spiel dazugehörte. In jedem Fall
war er zu sehr von sich eingenommen, und genau das war die fatale Schwäche.
Die eigentliche Notiz, dieser
kleine Fetzen Papier, würde ihm alles verraten, was er benötigte: die Wahl der
Sprache, die Wortwahl, die Psychologie der Bedeutung, das Gewicht des Stifts,
die Handschrift, die Herkunft des Papiers, die Art des Stifts, die Tinte, Genspuren,
Fasern, die Lage des Zettels, Art und Herkunft des Steins, mit dem das Papier
beschwert worden war.
Der Spion — also Chaynes Beute
— hatte sich auf hundert verschiedene Arten verraten, und alles nur, weil er dreist
gewesen war. Und diese Dreistigkeit war die verräterischste Fährte von allen.
Chayne nahm den Helm ab und
klemmte ihn unter den Arm, dann betrat er den großen Saal des strahlenden
Pavillons. Dort unterhielten sich die Lords der Menschheit mit Halbgöttern.
»Kon, mein Liebster«, schmachtete
der Drache und leckte ihm mit der Zunge über die Stirn.
John Grammaticus befreite sich
aus den Fängen des Drachen und wachte auf. Rukhsana lächelte ihn an und streichelte
seine Wange.
»Verdammt. Wie spät ist es?«,
fragte er.
»Es ist Abend, Kon. Lord Alpharius
speist mit dem Lord-kommandanten im Pavillonzelt zu Abend.«
Rasch setzte er sich auf und
blinzelte ins Licht.
»Verdammt! Ich muss gehen. Ich
muss dabei sein.«
»Bleib doch stattdessen bei
mir.«
»Ich wünschte, das könnte ich.«
Er zog sich in aller Eile an,
während sie sich betrübt zurücklehnte und umschaute.
»Ich habe das Gefühl, dass
jemand hier war«, befand Rukhsana.
»Ja, die Genewhips«, bestätigte
er.
»Bei Terra!«, rief sie. »Wonach
haben die hier gesucht?«
»Nach mir«, antwortete er
lächelnd.
Ein nachdenkliches Lächeln
zeichnete sich auf Namatjiras Lippen ab. »Ich bin kein Experte«, sagte er.
»Aber Sie können doch nicht alle Alpharius sein.«
Alpharius, oder besser gesagt:
der Gigant, der sich dem Lord-kommandanten beim Großen Empfang so vorgestellt
hatte, legte den Kopf in den Nacken und lächelte. »Natürlich nicht, Lord. Meine
Legion ist ein Körper, wir teilen alles miteinander. Identität kann als Waffe
eingesetzt werden, darum zeigen wir dem Feind nur ein einziges Gesicht. Hier
sind wir selbstverständlich unter Freunden.«
Von seinen Begleitern der
Lucifer Blacks umgeben, hielt sich Namatjira am einen Ende des Zelts auf, wo die
Seniorkomman-danten seiner Expedition in einem Halbkreis um ihn herum
angeordnet standen.
Die Fadenlampen überzogen den
Pavillon wie ein Sternenhimmel, und Lumenbanken beleuchteten die Zeltwände. Gestreifte
und gepunktete Tierfelle waren überlappend als Teppiche auf dem Boden ausgelegt
worden, und Namatjiras Thylacene Serendip hatte es sich auf einem gesprenkelten
Fell bequem gemacht.
Vor ihnen standen vier Astartes
in lila Rüstung. An vorderster Stelle fand sich Alpharius, den Helm nach wie
vor in der Armbeuge ruhend, so dass seine kupferne Haut im goldenen Lichtschein
strahlte. Die drei anderen hatten sich kurzfristig zu
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