DGB 10 - Engel Der Tiefe
Schlacht in Mitleidenschaft
gezogene Rüstung, in der er nur wenige Stunden zuvor gegen die Rebellen
gekämpft hatte. An seinem rechten Oberschenkel hatte man einen Druckverband
angelegt, durch den bereits wieder das Blut gedrungen war. In der Scheide an
seiner Hüfte steckte ein altes Energieschwert. Seinen blassgrauen Augen konnte
man die Schmerzen und die Ermattung ansehen, und auch wenn er sich demonstrativ
auf seinem Stuhl nach hinten hatte sinken lassen, verriet die Haltung seiner
Schulter die Anspannung, unter der er stand.
Magos Archoi stand ein paar
Schritte rechts vom Gouverneur, die metallenen Hände hatte er gefaltet auf den
Bauch gelegt. Er trug jetzt nicht mehr das schlichte Gewand des Mechanicums,
sondem hatte für das Treffen mit dem Primarch die Galakleidung seines
verstorbenen Vorgängers angezogen. Das schwere Dienstgewand war mit Gold- und
Platinfäden durchwirkt, die sich zu einem komplexen Muster zusammenfügten, das
am ehesten mit dem Aussehen eines integrierten Schaltkreises zu vergleichen
war. Die weiten Ärmel endeten gleich unterhalb der Ellbogen und ließen so
erkennen, mit welchem handwerklichen Geschick Archois bionische Arme gefertigt
worden waren. Der Magos hatte die Kapuze nach hinten geschoben, so dass das
polierte Metall an der unteren Hälfte des Schädels und am Hals erkennbar wurde.
Datenkabel und Schläuche für
Kühlflüssigkeiten verliefen zu beiden Seiten an seinem stählernen Hals,
Auspex-Einheiten und Rezeptoren-Aussparungen säumten das Kom-Gitter, das dort
saß, wo sich früher einmal sein Mund befunden hatte. Der Magos besaß
augmetische Augen, die tief in das Fleisch seiner oberen Gesichtshälfte
eingelassen waren und in schwachem bläulichem Licht schimmerten. Der Schädel war
kahl und mit feinen Närben überzogen. Nemiel konnte den Magos in keiner Weise
lesen, da Archois Körper nichts anderes erkennen ließ als maschinengleiche
Undurchschaubarkeit. Zwei Akoluthen standen exakt sechs Schritte hinter ihm,
die Köpfe gebeugt, während sie sich gedämpft in Binär unterhielten.
Lion El'Jonson hatte die
Fingerspitzen aneinandergelegt und betrachtete über diese Pyramide hinweg die
beiden Vertreter des Planeten. Er saß auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne,
der aus calibanischer Eiche geschreinert worden war und an einen Thron
erinnerte, was seine beeindruckende körperliche Präsenz nur noch deutlicher
hervorhob. Er strahlte Ruhe und grenzenloses Selbst-bewusstsein aus. Wer ihn so
sah, wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dass er noch vor kurzem in einer
Raumschlacht um sein Leben gekämpft hätte.
»Die Probleme für Diamat sind
noch lange nicht gelöst, Gouverneur Kulik«, erwiderte Jonson ernst. »Es gibt
hier Ressourcen, die Horus in seinen Besitz bringen muss, wenn er den
anstehenden Konflikt mit dem Imperator überstehen will. Sobald die Überlebenden
seiner Flotte nach Isstvan zurückgekehrt sind, wird er umgehend eine neue
Streitmacht zusammenstellen, und die wird dann nicht nur aus abtrünnigen
Kriegsschiffen und ehemaligen imperialen Truppen bestehen.« Sein Blick wanderte
zu dem in rotes Licht getauchten Fenster an Backbord, seine Miene nahm einen
nachdenklichen Zug an. »Ich gehe davon aus, dass uns höchstens zweieinhalb
Wochen bleiben, bestenfalls noch drei, bis sie zurückkehren. Diese Zeit müssen
wir nutzen.«
Kulik sah Jonson skeptisch an.
»Und was genau sollen wir Ihrer Ansicht nach tun, Primarch Jonson?«
Der zynische Tonfall des
Gouverneurs erschreckte Nemiel. Er stand rechts von Jonsons Platz, dabei hatte
er sich so hingestellt, dass er sowohl den Primarchen als auch einen der beiden
Gäste ansprechen konnte, wenn das erforderlich wurde. Nach seiner Rückkehr auf
das Flaggschiff hatte er sich zuerst um die Belange seines Trupps gekümmert und
dann mehr als eine Stunde im Apothekarium verbracht, damit die Stahlsplitter
aus seinem Fleisch gezogen werden konnten, während seine ramponierte Rüstung
von den Waffenmeistern des Schiffs repariert wurde. Jetzt trug er einen
schlichten Chorrock mit hochgeschlagener Kapuze, in dem er auch zuvor dem
Primarchen Bericht erstattet hatte. Unwillkürlich ballte er die Fäuste, als er
den fast aufsässigen Tonfall des Gouverneurs wahrnahm.
Kulik verhielt sich, als sei
Jonson genauso eine Gefahr für ihn wie Horus, aber das war womöglich gar nicht
so erstaunlich. Immerhin hatten sich inzwischen vier Legionen vom Imperator
losgesagt, und das gesamte Segmentum drohte aus den Fugen zu geraten.
Damit
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