DGB 12 - Verlorene Söhne
von Ankhu Anen in der
Bibliothek an Bord der Photep verbrachten, um ihre eigenen Fähigkeiten
weiterzuentwickeln.
Während er die beiden
wenigstens ab und zu wiedersah, wusste er nichts über den Verbleib von
Mahavastu Kallimakus.
»Lemuel?«, fragte Ahriman und
holte ihn aus seinen Gedanken.
»Tut mir leid«, sagte Lemuel.
»Ich musste gerade an einen Freund denken, und ich habe mich gefragt, ob es ihm
wohl gut geht.«
»Um wen geht es?«
»Mahavastu Kallimakus, der
Schreiber des Primarchen.«
»Warum sollte es ihm nicht gut
gehen?«
»Bei unserer letzten Begegnung
machte er keinen so guten Eindruck«, erklärte Lemuel. »Aber er ist ein sehr alter
Mann, und er neigt zu den Gebrechen und Schmerzen, die das Alter mit sich
bringt, wissen Sie?«
»Eigentlich weiß ich das
nicht«, antwortete Ahriman.
»Ich fühle mich noch genauso
gut wie vor zweihundert Jahren.«
Lemuel musste leise lachen.
»Eigentlich sollte mich das jetzt erstaunen, aber es ist schon bemerkenswert,
wie schnell man sich an das Außergewöhnliche gewöhnen kann, vor allem, wenn es
die Thousand Sons betrifft.«
Er hob sein bescheidenes
Bleikristallglas und trank einen Schluck.
Das Aroma war gut; es schmeckte
nicht, als hätte man die Flüssigkeit aus dem Urinfiltersystem des Schiffs gewonnen.
»Wie finden Sie den Wein?«,
erkundigte sich Ahriman.
»Er hat einen edleren Geschmack
als das, was ich gewöhnt bin«, antwortete er. »Angenehm und intensiv, aber immer
noch dezent genug, um zu überraschen.«
»Die Trauben stammen von
unterirdischen Weinbergen auf Prospero«, erklärte Ahriman. »Es ist ein
Jahrgang, den ich selbst zusammengestellt habe. Er basiert auf einer Genprobe,
die ich in der Heretaunga-Bucht auf der früheren Insel Diemenslandt genommen
habe.«
»Ich hatte die Astartes nie für
Weinexperten gehalten.«
»Nein? Wieso nicht?«
Lemuel legte den Kopf schräg
und fragte sich, ob Ahriman wohl scherzte. Zugegeben, der Chefscriptor der Thousand
Sons war ein ernster Mann, aber von Zeit zu Zeit unterstrich er das durch einen
Anflug von trockenem Humor. Nach der Farbgebung seiner Aura zu urteilen, schien
seine Frage ernst gemeint zu sein, was Lemuel verdutzt nach einer Antwort
suchen ließ.
»Na ja, es ist schließlich
bekannt, dass Sie für den Krieg großgezogen wurden. Ich dachte nicht, dass da
noch viel Zeit bleibt, um sich Dingen zu widmen, die nichts mit der Kampfkunst
zu tun haben.«
»Mit anderen Worten: Sie
glauben, wir taugen nur zum Kämpfen? Ist das Ihre Meinung? Dass Astartes
einfach nur Waffen sind, Tötungswerkzeuge, die sich ausschließlich für den
Krieg interessieren, aber für nichts anderes?«
Lemuel bemerkte das Funkeln in
Ahrimans Augen und ging auf dessen Spiel ein.
»Sie sind gut, was das Töten
angeht«, erwiderte er.
»Phönixfels hat mich das
erkennen lassen.«
»Ja, Sie haben recht. Das Töten
liegt uns. Ich glaube, deswegen spornt meine Legion ihre Krieger dazu an, sich auch
noch andere Fertigkeiten als nur das Kämpfen anzueignen. Schließlich wird
dieser Kreuzzug nicht ewig währen, und wir müssen eine Aufgabe haben, wenn das Kämpfen
erst mal ein Ende hat. Was soll aus Kriegern werden, wenn es keine Kriege mehr
zu führen gibt?«
»Sie werden sesshaft und
betätigen sich als Weinbauern«, meinte Lemuel, trank aus und ließ Ahriman
wieder einschenken. Als er sich die absurde Situation bewusst vor Augen hielt,
lief ihm ein Schauer über den Rücken. Leise lachend schüttelte er den Kopf.
»Was ist denn so witzig?«,
wollte Ahriman wissen.
»Eigentlich gar nichts«, sagte
er. »Ich habe mich nur gerade gefragt, wie es kommen kann, dass Lemuel Gaumon, der
in Sachen Esoterik manchmal ein Experte und manchmal ein Dilettant ist, mit
einem genmanipulierten, postmenschlichen Wesen bei einem Glas Wein
zusammensitzt. Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass wir beide
heute hier sitzen und uns unterhalten, dann hätte ich denjenigen für verrückt
erklärt.«
»Mir wäre es nicht anders
ergangen«, versicherte Ahriman ihm.
»Dann sollten wir auf neue
Erfahrungen anstoßen«, schlug Lemuel vor und hob sein Glas.
Sie stießen an und genossen die
Fremdartigkeit des Augenblicks.
Als er fand, dass genügend Zeit
verstrichen war, sagte Lemuel:
»Sie haben nie auf meine Frage
geantwortet.«
»Welche Frage?«
»Als Sie mich mit den
Trionfikarten üben ließen«, führte Lemuel aus. »Als ich Sie fragte, welche Art
von Seher Sie sind, einer mit einer angeborenen Verbindung zum Äther
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