DGB 12 - Verlorene Söhne
lassen.
»Und wie soll das
weitergehen?«, fragte Camille und stellte damit die gleiche Frage, mit der sie
schon am frühen Morgen begonnen hatte. In der Nacht zuvor war es zu einem
heftigen Streit mit Chaiya gekommen, als sie ihr von ihrem Entschluss berichtet
hatte, den Planeten zu verlassen.
»Vertrau mir«, erwiderte
Lemuel. »Ich weiß genau, was ich tue.«
»Das sagst du die ganze Zeit,
aber du erklärst nie, was du tun wirst.«
»Das weiß ich selbst erst, wenn
der Moment gekommen ist.«
»Ich muss sagen, das beruhigt
mich ungemein.«
Lemuel hielt den Mund, da er
wusste, wieso Camilles Tonfall so schroff und verletzend war. Sie bewegten sich
weiter durch die Menge, wobei sie die Hauptrouten mieden, da auf ihnen
Transporter unterwegs waren, die Soldaten und Schiffspersonal zu den
Anlegestellen brachten. Hangars, Vorratssilos und Treib-stofftanks nahmen auf
dem Gelände den meisten Platz ein, und zwischen ihnen hindurch führte der Weg
zu den silbernen Landeplattformen am Rand der Küstenlinie.
Ein Dutzend Schiffe röhrten an
ihren Anlegestellen, sie waren die Letzten, die zur Cypria Selene starten würden. Und damit stellten sie für die drei auch die letzte Chance dar,
Prospero zu verlassen.
Lemuel führte sie weiter zu den
Schiffen, von denen zwischen-zeitlich zwei weitere aufstiegen und sich auf dicken
Rauchsäulen kreischend in den Himmel erhoben. Camille ging neben Mahavastus
Sänfte her, der vergeblich versuchte, einen erhabenen Eindruck zu machen, während
die Servitoren ihn ohne zu murren durch den Raumhafen trugen. Sie drei boten
einen ungewöhn-lichen Anblick, aber genau darauf setzte Lemuel, denn man sollte
sie für Passagiere halten, die jedes Recht hatten, auf die generalüberholte Cypria
Selene gebracht zu werden.
»Das wird nicht funktionieren«,
sagte Camille.
»Es wird funktionieren«,
beharrte Lemuel.
»Es muss einfach funktionieren.«
»Nein, das wird es nicht. Man
wird uns anhalten, und dann sitzen wir auf Prospero fest.«
»Mit einer solchen Einstellung
werden wir es ganz sicher nicht schaffen«, herrschte Lemuel sie an, da seine
Geduld allmählich über Gebühr strapaziert war.
»Lemuel, Camille«, wandte sich
Mahavastu aus seiner Sänfte an sie. »Ich verstehe ja, dass wir alle unter
großem Druck stehen, aber wenn es euch nicht zu viel ausmacht, dann haltet
jetzt verdammt noch mal die Klappe!«
Lemuel und Camille stutzten beide,
da sie einen solchen Tonfall von dem alten Mann nicht gewöhnt waren.
Als Lemuel Mahavastu ansah,
musste er feststellen, dass der sogar noch entrüsteter über diese Wortwahl war als
sie beide.
»Ich entschuldige mich für
meinen Tonfall«, sagte er schließlich.
»Aber ich hatte das Gefühl,
dass ich euch anders nicht dazu bringen konnte, wieder zur Ruhe zu kommen. Wenn
wir uns gegenseitig anfeinden, kann das kein gutes Ende nehmen.«
Lemuel atmete tief durch. »Du
hast recht. Ich möchte mich bei dir entschuldigen, meine Liebe.«
»Mir tut es auch leid, Lemuel«,
erwiderte Camille.
Lemuel nickte, dann gingen sie
weiter die leichte Schräge hinab, bis sie endlich den Zugang zu den
Shuttle-Plattformen erreicht hatten. Dort wartete ein Kontrollpunkt auf sie, da
nicht mal die Bürger von Prospero einen so kritischen Ort unbewacht ließen.
Spireguard schützten den Eingang
zum Shuttle-Areal, Männer in blauen Gewändern überprüften die Identität einer
jeden Person, die zu den Plattformen gelangen wollte.
»Jetzt werden wir sehen, wozu
das ganze Training gut war«, sagte Camille.
»Hoffen wir, dass ich ein guter
Schüler war«, meinte Lemuel.
Sie näherten sich weiter dem
Kontrollpunkt, und Lemuel überreichte dem gelangweilt dreinblickenden
Kontrolleur einen Stapel Papiere, die aus einem von Kallistas Notizbüchern
stammten. Was sie dort niedergeschrieben hatte, ergab zwar keinen Sinn, aber es
würde von Nutzen sein, wenn der Mann nichts entziffern konnte.
Als der sich vorbeugte, war das
für Lemuel das Zeichen zum Einschreiten.
»Lord Asoka Bindusara und Lady
Kumaradevi Chandra auf dem Weg zur Cypria Selene «, sagte Lemuel und
projizierte ein Selbstbewusstsein, das er eigentlich gar nicht empfand, in die
Aura des anderen Mannes. »Ich bin der demütige Diener und Schreiber der beiden.
Seien Sie doch bitte so gut und sagen Sie uns, welches der wartenden Shuttles
am komfortabelsten ausgestattet ist.«
Dann beugte er sich vor und
ergänzte im Flüsterton: »Mein Meister hat sich an den Luxus auf Prospero
gewöhnt, und es wird für alle
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