DGB 12 - Verlorene Söhne
Beteiligten kein Vergnügen werden, wenn mein
Meister unzufrieden ist — wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Der Mann starrte noch immer
ratlos auf die Worte auf den Blättern. Lange konnte er nicht benötigen, dann
würde er Lemuels Bluff durchschauen und erkennen, dass das nichts weiter als
Kritzeleien waren. Lemuel konnte spüren, wie der bürokratische Verstand begann,
Buchstaben aus dem Wirrwarr herauszulesen, also verstärkte er die Manipulation
seiner Aura. Dabei erzeugte er noch intensiver den Eindruck, es handele sich um
Reisedokumente für drei Passagiere und ihr Gepäck.
Der Kontrolleur gab es auf und
griff stattdessen nach einer Datentafel. »Ich kann Ihre Namen hier nicht
finden«, erklärte er mit einem zufriedenen Unterton.
»Oh, sehen Sie bitte noch
einmal nach«, sagte Lemuel und rückte noch etwas näher an den Mann heran, als gleich
drei Shuttles auf einmal von ihren Anlegeplätzen starteten und gen Himmel
jagten.
Er spürte die Panik, die von
Camille und Mahavastu ausstrahlte, und verstärkte sein mentales Sperrfeuer noch
ein wenig mehr.
Doch er konnte bereits merken,
dass es nicht ausreichen würde.
Plötzlich hörte er hinter sich
jemanden nach Luft schnappen, und eine Art besänftigendes Tuch legte sich über
ihn. Der glasige Blick des Kontrolleurs verriet, dass er ebenfalls unter diesen
Einfluss geraten war. Jemand stellte sich neben ihn, und dann sprach eine
Frauenstimme: »Es gab in letzter Minute eine Ergänzung auf der Passagierliste. Die
drei sind auf dem Schiff meine Gäste.«
Lemuel musste lächeln, als er
sah, wie Chaiya ihre Hand auf den Arm des Kontrolleurs legte und sich ihr
Einfluss sofort in ihm ausbreitete. Wie es schien, besaß jeder auf Prospero
Geborene ein gewisses Maß an psionischen Kräften. Es wunderte ihn, dass ihm das
bislang nicht aufgefallen war.
»Ja«, sagte der Mann, der zwar
verunsichert klang, dennoch anfügte: »Das sehe ich gerade hier.«
Er nickte, während Chaiya ihre
Überzeugung noch ein wenig verstärkte, woraufhin er den Soldaten zu beiden Seiten
des Tors zuwinkte. Dann stempelte er noch einen Ladeschein für das Gepäck und
überreichte Lemuel Liegescheiben, die alle ein aufgedrucktes Auge in der Mitte trugen.
Lemuel gab sich alle Mühe, nicht so erleichtert dreinzublicken, wie er sich
fühlte.
»Mein Lord dankt Ihnen«, sagte
er zu dem Mann und ging dann zum geöffneten Eingang zu den Shuttle-Rampen.
Kaum waren sie außer Sichtweite
des Kontrolleurs und der Soldaten, fiel Camille Chaiya um den Hals und küsste sie.
Sie lagen sich in den Armen, bis sich Mahavastu diskret räusperte.
»Du bist hergekommen«, sagte Camille,
deren Makeup durch Freudentränen verwischt wurde.
»Natürlich bin ich
hergekommen«, erwiderte Chaiya.
»Glaubst du, ich lasse dich
abreisen und bleibe ohne dich hier?«
»Aber letzte Nacht ...«
Chaiya schüttelte den Kopf, um
sie zu unterbrechen.
»Letzte Nacht hast du mich mit
deinem Gerede vom Weltuntergang verrückt gemacht. Außerdem machte mir die
Vorstellung Angst, ich müsste ohne dich zurechtkommen. Ich will Prospero noch
immer nicht verlassen, aber wenn du glaubst, dass etwas Schlimmes im Anzug ist,
dann genügt mir das. Bislang hast du dich auch noch nie geirrt. Außerdem liebe
ich dich und möchte nicht von dir getrennt sein.«
Mit dem Ärmel wischte Camille
die Tränen weg und ruinierte damit zwar den teuren Stoff, doch das war ihr ganz
egal.
»Es kommt wirklich etwas
Schlimmes auf Prospero zu, das weiß ich ganz sicher.«
»Ich glaube es dir«,
versicherte Chaiya ihr mit einem nervösen Lachen. »Und wenn du dich irrst,
können wir immer noch zurückkehren.«
Lemuel deutete mit einem Nicken
auf das Shuttle, das ihnen zugeteilt worden war.
»Wir sollten uns lieber
beeilen. Das ist das letzte Shuttle, und das sollten wir nicht versäumen.«
Die bunt zusammengewürfelte
Truppe befolgte die Anweisungen des in Blau gekleideten Bodenpersonals und begab
sich zum Liegeplatz eines eleganten silbernen Fahrzeugs, dessen breite
Tragflächen sie in Schatten hüllten, als sie unter ihnen hindurch-gingen. Der
flache Frachtraum befand sich an der Unterseite der Anlegestelle, die sie hinaufgehen
mussten, um zur Einstiegsluke zu gelangen.
Lemuel erlaubte sich ein
flüchtiges triumphierendes Lächeln.
Camille und Chaiya lachten und
kicherten ausgelassen, als sie sich dem Leichter näherten.
Sogar Mahavastu musste lächeln.
Das Lachen verging ihnen nur
einen Augenblick später, als jemand aufgeregt rief:
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