DGB 14 - Ketzerfürst
sie das
eigentlich?«, wollte sie wissen.
»Weil Argel Tal sie danach
gefragt hat. Das Apothecarium an Bord der De Profundis verfügt über die
erforderlichen Ressourcen, wenn es um augmetische Organe für wertvolle
sterbliche Crewmitglieder geht.«
»Aber ich bin nicht wertvoll«,
wandte sie ein. Sie sagte das nicht aus Selbstmitleid, sondern weil diese
Neuigkeiten sie verwirrten.
»Ich wüsste nicht, wie ich
jemals der Legion dienen sollte.«
»Tatsächlich?« Einige
Augenblicke lang schwieg Xaphen.
Möglicherweise sah er sich in
ihrem spartanischen Quartier um.
Als er weiterredete, klang er
sanfter. »Verzeihen Sie mir, dass ich mit meinen Besuchen bei Ihnen so
nachlässig war, shuhl-asha, aber die letzten Tage waren schwierig.
Gestatten Sie mir, dass ich ein paar Worte zu Ihrer Situation sage.«
»Bin ich eine Sklavin?«
»Was? Nein!«
»Bin ich eine Dienerin?« Der
Engel lachte amüsiert.
»Lassen Sie mich ausreden.«
»Entschuldigen Sie,
Ordenspriester.«
»Einige andere Orden sind auf
dem Friedhof von Monarchia auf verirrte Seelen gestoßen. Sie sind nicht die einzige
Khurianerin, die sich bei unserer Abreise der Legion angeschlossen hat, aber
Sie sind die einzige im Orden der Gezahnten Sonne. Sie fragen mich, wie Sie uns
dienen könnten. Ich möchte behaupten, das tun Sie bereits. Argel Tal ist mein
Bruder, und ich weiß, welche Wege seine Gedanken einschlagen. Er hat Sie als
ein Erinnerungsstück mitgenommen, als ein Symbol für die Vergangenheit. Sie
sind das lebende Mahnmal, das an das größte Versagen unserer Legion erinnert.«
»Die vollkommene Stadt war kein
Sündenpfuhl«, hielt sie dagegen und versuchte, nicht entrüstet zu klingen.
»Warum reden Sie trotzdem immer
so von dieser Stadt?« Eine Pause, dann ein anhaltendes Ausatmen. »Die Stadt selbst
war nicht die Sünde, sondern das, wofür sie stand. Ich habe Ihnen erzählt, was
der Gott-Imperator an jenem Tag zu uns gesagt hat. Sie haben einen scharfen
Verstand, also stellen Sie keine Fragen, auf die Sie die Antworten auch selbst
finden können. Nun zu diesem Wunsch, der Legion zu dienen. Warum ist Ihnen das
so wichtig?« Darüber hatte sie bislang noch gar nicht nachgedacht.
Es schien ihr der einzige Weg
zu sein, den sie gehen konnte, da sie nun einmal hier war. Doch es gab auch
noch einen tiefergehenden Grund, der in den unendlichen Stunden an ihr zerrte,
die sie in der Stille dasitzend verbrachte.
»Ich verdanke mein Leben der
Legion«, sagte sie, »und ich möchte ihr dienen, weil es mir richtig erscheint.
Es wäre nur gerecht.«
»Ist das alles?« Sie schüttelte
den Kopf, ohne zu wissen, ob Xaphen sie überhaupt ansah. »Nein, ich muss auch
gestehen, dass ich einsam bin. Und dass ich mich schrecklich langweile.«
Wieder hörte sie Xaphen lachen.
»Dann werden wir uns dem widmen. Waren Sie eine der Gläubigen auf Khur?« Cyrene
zögerte und fuhr sich nervös mit der Zunge über die trockenen Lippen.
»Ich haben den Sprechern des Wortes
zugehört, die auf den Plätzen predigten und die täglich ihre Gebete in der
ganzen Stadt widerhallen ließen. Nichts davon hat mein Herz berührt. Ich habe
geglaubt, und ich kannte die Schriften, aber ich ...«
»Sie interessierten sich nicht
dafür.« Sie nickte. Ihre Kehle gab einen klebrigen Laut von sich, als sie
einatmete. »Ja«, gab sie zu.
Als Xaphen seine Hand auf ihre
Schulter legte, zuckte sie unwillkürlich zusammen.
»Es tut mir leid«, sagte sie,
»dass ich nicht geglaubt habe.«
»Das muss Ihnen nicht leidtun.
Es war richtig von Ihnen, Cyrene.«
»Ich ... Wie bitte?«
»Sie haben Verständnis bewiesen
... und die Stärke, an konventionellem Glauben zu zweifeln. Über Jahrhunderte hinweg
hat die Menschheit im Namen des Glaubens Großes geleistet. Das lehrt uns die
Geschichte. Der Glaube ist der Treibstoff für die Reise der Seele. Ohne den
Glauben an höhere Ideale fehlt uns etwas. Die Einheit von Geist und Fleisch ist
es, die uns über Bestien und Nichtmenschen stellt. Aber fehlgeleitete Anbetung?
Die Verbeugung vor einem unwürdigen Götzenbild? Das ist die Sünde der ärgsten
Ignoranz, und es ist eine Sünde, die Sie nicht begangen haben. Darauf können
Sie stolz sein, meine Dame.« Wohlige Wärme erfüllte sie bei der Erkenntnis,
dass sie sich um den Respekt eines Engels verdientgemacht hatte.
Zum ersten Mal seit dem Tod
ihrer Stadt sprach sie mit kraftvoller Stimme.
»Wie könnte sich jemand vor
einem unwürdigen Götzenbild verbeugen?«
Wieder folgte eine Pause.
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