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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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und streckte ihre Finger hindurch, um es über seine Rolle zu streifen. Das Band zog die Fingerspitzen zusammen. Einen Moment lang dachte er an die Orchidee. Zögernd, als hätte sie sich über ihn ein Urteil gebildet, sagte sie: »Die armen Leute in dieser Stadt - und in Bellona hieß das: die Schwarzen - hatten nie viel. Jetzt haben sie sogar noch weniger.« Sie sah ihn mit einem Blick an, den er als Bitte um irgend etwas verstand, was er nicht einmal beim Namen kannte. »Wir müssen ihnen« - sie beugte sich nach vorn - »etwas geben.« Das rote Gummi schnappte über das Rohr. »Wir müssen einfach.« Sie faltete die Hände. »Als ich Sie neulich sah, dachte ich, Sie wären schwarz. Ich glaube, weil Sie so dunkel sind. Aber jetzt vermute ich, daß Sie es nicht sind. Doch Sie sind trotzdem zu unseren Gottesdiensten eingeladen.« Wieder lächelte sie breit. »Versuchen Sie's doch mal.«
    »Oh, yeah.« Er stauchte das Poster. Er hatte schon vorher gewußt, daß er wahrscheinlich nicht zu den Gottesdiensten kommen würde. Jetzt war er entschlossen, nie wieder hierherzugehen. »Klar. Was bin ich Ihnen schuldig - hierfür?« Die eine Hand in der Tasche fingerte nach der Banknote.
    »Ist umsonst«, sagte sie. »Wie alles andere hier.«
    Er sagte: »Oh.« Doch die Hand blieb an dem feuchten Geldschein.
    Im Foyer schritt er um die massige schwarze Frau herum, die einen dunklen, viel zu warmen Mantel trug. Mißtrauisch blinzelte sie ihn unter der schwarzen Kapuze an, zog die Einkaufstasche an sich und ging weiter auf die Bürotür zu. Er fragte sich, noch im Ohr, was Alptraum gesagt hatte und Reverend Taylor eben, wo all die Schwarzen in Bellona waren, abgesehen von den paar, die er gesehen hatte. Das Poster unter den Arm geklemmt, eilte er hinaus in den Abend.
     
    *
     
    »Hallo«, sagte Mrs. Richards mit großen schläfrigen Augen. Sie hielt ihren Bademantel am Hals zu. »Kommen Sie rein, Kidd. Kommen Sie. Ich wußte nicht, was gestern mit Ihnen war. Wir hatten gedacht, Sie kommen anschließend runter. Und essen mit uns.«
    »Oh, als ich fertig war, dachte ich . . .« Er zuckte die Achseln und trat ein. »Haben Sie heute morgen Kaffee?« Sie nickte und ging zur Küche. Er folgte ihr, wobei er mit dem Notizbuch gegen seinen Schenkel klatschte. Sie sagte: »So, wie Sie gegangen sind, ich dachte, es wäre etwas nicht in Ordnung. Ich dachte, vielleicht kommen Sie überhaupt nicht wieder.«
    Er lachte. »Ich bin einfach hochgegangen und habe zu Ende geputzt. Dann bin ich zurück zum Park. Ich meine, Sie brauchen mich nicht zu ernähren. Sie zahlen mir, was Sie Mrs. Brown gesagt haben und damit okay.«
    »Natürlich«, sagte sie von der Küche her.
    Er ging ins Eßzimmer und setzte sich. »Kaffee, meine ich. Und Sandwiches und daß ich das Bad benutzen kann, das ist nett. Ich schätze das sehr. Aber Sie sollten es nicht übertreiben.« Er sprach zu laut. Leiser: »Verstehen Sie?«
    June, in rosa Hosen und drosselfarbenem Pullover mit einem applizierten Vogel am Kragen, kam zur Tür.
    »Hey . . .« sagte er ruhig. »Ich habe was für Sie. Oben in Neunzehn.«
    »Was -« fing sich und flüsterte: »Was ist es?«
    Er grinste und wies mit dem Daumen nach oben.
    June sah verwirrt aus. Dann rief sie: »Ich helf dir beim Kaffee, Mom.«

»Ist schon gut, Liebes.« Mrs. Richards kam mit einem Tablett herein, der Kanne und Tassen. »Wenn du dir selber noch eine Tasse holst, Liebling?« Sie stellte das Tablett ab. »Trinkst du nicht ein bißchen viel Kaffee?«
    »Oh, Mutter!« June ging in die Küche und kam mit einer Tasse zurück.
    Er fand es schön, seine Hände um das warme Porzellan zu legen, als der Kaffee eingeschenkt wurde.
    »Ich habe etwas getan, was ich vielleicht besser gelassen hätte.« Mrs. Richards stellte die Kanne ab und sprach vorsichtig. »Hier, ich bringe es Ihnen.«
    Er nahm einen Schluck und wünschte, es wäre Expreßkaffee. Seine Gedanken trieben zurück zu einem namenlosen Ort an der kalifornischen Küste. Der Boden war mit rostfarbenen Sägespänen von Mammutbäumen bedeckt, und er dachte an den Geruch frisch aufgebrühten Kaffees, während die Sonne aus den Baumspitzen ein silbernes Nadelkissen machte und Nebel die riesigen Stämme umhüllte -
    »Hier.« Mrs. Richards kam zurück und setzte sich. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
    June, beobachtete er, versuchte, die Tasse genauso zu halten wie er.
    »Was ist es denn?« Mrs. Richards hatte mit schwarzen, säuberlichen Buchstaben auf blaugerändertem

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