Dhalgren
Papier sein Gedicht abgeschrieben.
»Ich habe wahrscheinlich jede Menge Fehler gemacht.«
Er las es zu Ende und sah verwirrt hoch. »Wie haben Sie das fertiggebracht?«
»Ich habe es behalten, ganz leicht.«
»Alles?«
»Es sind nur acht Zeilen. Es geht mir ständig im Kopf herum. Wenn man bedenkt, daß es sich nicht reimt. Habe ich schreckliche Fehler gemacht?«
»Sie haben ein Komma vergessen.« Er gab ihr das Papier und deutete auf die Stelle.
Sie sah hinunter. »Oh, natürlich.«
»Sie haben sich einfach daran erinnert?«
»Mir ging es nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe doch nichts Schlimmes gemacht, oder?«
»Um ... es sieht sehr hübsch aus.« Er versuchte, die Wärme in seinem Innern zu bestimmen, doch es war weder Verlegenheit noch Stolz, noch Angst, also blieb das Gefühl ohne Namen.
»Sie können es haben«, sagte sie. »Stecken Sie es einfach in ihr Notizbuch. Ich habe es zweimal gemacht - eines behalte ich. Immer.« Ihre Stimme brach ein wenig. »Deshalb habe ich mir solche Sorgen gemacht, Sie kämen vielleicht nicht mehr. Schlafen Sie wirklich einfach so im Park, ganz allein?«
Er nickte. »Es sind noch andere Leute da.«
»Oh, ja. Das hat mir Edna erzählt. Es ist . . . erstaunlich. Sie haben mir aber noch nicht gesagt, ob es okay war, daß ich Ihr Gedicht auswendig konnte und es abgeschrieben habe.«
»Eh . . . ja.« Er lächelte und wünschte verzweifelt, sie würde das Komma korrigieren. »Danke. Sie können übrigens heute ihr Zeug hochschaffen. Haben Sie hier unten alles fertig?«
»Können wir?« Es hörte sich nachdenklich an. »Sie meinen, alles ist fertig?«
»Vielleicht hätte ich gestern abend kommen sollen, es Ihnen sagen, daß wir heute mit dem Umzug beginnen können.«
»Arthur -« der mit baumelnder Krawatte an der Tür stand -»Kidd sagt, wir können heute umziehen. Wenn du heute heimkommst, sind wir alle schon oben.«
»Gut! Sie können aber arbeiten!« Als Mr. Richards zum Tisch kam, hatte Mrs. Richards schon eingeschenkt. Stehend setzte er zum Trinken an. Das Spiegelbild der Tasse entfernte sich vom Mahagoni, blieb, während er trank, verschwommen und schwamm plötzlich wie ein weißer Fisch in braunem Wasser auf den Porzellanrand zu, auf den sie klackte. »Muß mich beeilen. Warum läßt du dir nicht von Bobby ein bißchen helfen? Das würde ihm guttun.«
»Betten und so etwas . . .« Mrs. Richards schüttelte den Kopf. »Ich frage mich wirklich, ob wir uns nicht noch um jemand anders kümmern.«
»Ich kann alles raufbringen«, sagte Kidd. »Die Betten nehmen wir auseinander.«
»Nun, wenn Sie meinen.«
»Klar kann er das«, sagte Mr. Richards. »Also, ich bin jetzt weg. Wiedersehen.« Der Knoten fuhr zwischen seinen Fingern hoch zum Kragen, wurde an Ort und Stelle gerückt. Er drehte sich um und verließ das Zimmer. Die Eingangstür fiel ins Schloß.
Kidd beobachtete, wie der bernsteinfarbene Rand nervöse Wellen auf dem Porzellan schlug; dann trank er das schwarze Meer. »Ich gehe jetzt besser rauf und erledige die letzten Sachen. Sie können schon mal anfangen, die Möbel rauszustellen. In einer Viertelstunde bin ich wieder unten.« Tasse klickte auf Untertasse, und er ging hinaus.
*
»Wo ist es?« rief June von der Tür her.
Er schloß Wischer und Eimer in den Besenschrank. »Da drüben, an der Wand.«
Als er hereinkam, starrte sie auf die weiße Rolle mit dem roten Gummiband. Ihre Fäuste flogen bis auf ein paar Zoll unter das Kinn. »Sind Sie sicher, es ist ein Bild von . . .«
»George«, sagte er. »Harrison. Sehen Sie es an.«
Sie nahm die Rolle.
Auf dem Fußboden sah er einen Stapel Computer-Zeitschriften ihres Vaters, die sie als Entschuldigung heraufgebracht hatte.
Sie rollte das Gummi bis ans Ende, stoppte dann aber. »Wo haben Sie es her?«
»Sie würden mir es nicht glauben, wenn ich es Ihnen sagte. Es gibt sie überall.« Er seufzte. »In einer Kirche.«
»Haben Sie ihn . . . noch einmal gesehen?«
»Nein. Machen Sie es auf.«
»Ich habe Angst.«
Er war überrascht, weil sie das so einfach sagte, und es rührte ihn. Der Nebel draußen vor den Fenstern war fast undurchdringlich. Er sah ihr zu: Sie stand da, den Kopf leicht geneigt und still.
»Weiß Madame Brown von Ihnen und George - «
Ihr »Nein!« kam so schnell und leise (ihr Kopf fuhr herum), daß er erstarrte.
»Sie geht auch in diese Bar. Sie kennt ihn«, sagte er. »Deshalb frage ich.«
»Oh . . . « viel weniger intensiv.
»Sie war auch an dem Abend da, als Sie
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