Dhalgren
sie okay? Ich meine, geht's ihr gut und so?«
»Yeah«, antwortete Lanya, »ich denke schon.«
George nickte. »Yeah . . . jemand hat mir in der Bar neulich erzählt, daß du einen neuen Typen hast. Das ist schön.«
Wo, fragte sich Kidd, war Milly.
»Die Dinge ändern sich.« Lanya lächelte, und Kidd stellte sich vor, wie sie plötzlich die Harmonika hervorholen würde und ein paar volle Töne bliese, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Sie sah nur nicht verlegen aus. (Er erinnerte sich, daß er Lanya und Milly belauschen wollte, wie sie über ihn redeten. Die Vorstellung einer Diskussion über ihn zwischen ihr und George ließ ihn sich unbehaglich fühlen.) Ihre Finger hakten sich in den Rand der Taschen. Lanya spielte wirklich mit der Harmonika. »Yeah, ich weiß nicht, ob man sagen kann, ob ich ihn habe. Wie ist das mit dem Bekommen?«
»Also, du schnappst dir sicher einen Crack! Dieser letzte . . .« George schüttelte den Kopf.
»Wie fandest du Phil, George?« Das Thema, fast genauso unangenehm, wechselte.
»Ich habe ihn für verrückt gehalten!« sagte George. »Ich hielt ihn für ein steifes, eingebildetes, schlappschwänziges Arschloch - Toll? Er war so toll wie Sahnetorte! Aber ich bin immer noch froh zu sehen, daß du ihn abgeschossen hast.« George machte eine Pause. Seine Brauen zogen sich zusammen. »Aber vielleicht hast du das nicht?«
»Ich weiß es nicht.« Lanyas gesenkter Blick hob sich plötzlich. »Aber das sagt sich leichter, wenn man jemand Neuen hat, stimmt's?«
»Also« - George entfuhr ein überraschendes, gewaltiges Lachen -, »stimmt vielleicht. Wann bringst du denn deinen neuen Mann mit nach Jackson und sagst guten Tag?«
»Oh, danke«, sagte Lanya. »Vielleicht kommen wir vorbei . . . wenn wir uns nicht vorher in der Bar sehen.«
»Muß mir deinen neuen Typen doch ansehen«, sagte George. »Erst dachte ich, du läßt dich mit einem dieser dürren Männchen da von Teddy's ein. Gottsverdammt, manchmal denke ich, niemand außer mir in der Stadt ist nicht schwul.«
»Ist das die männlich-heterosexuelle Standardphantasie?« fragte Lanya. »Ich meine, der einzige richtige Mann zu sein in einem Haufen Schwuler?«
»Ich hab' ja nichts gegen Warme«, sagte George. »Hast du die Bilder gesehen, die die Jungs von mir gemacht haben? Ist ganz schön, huh? Einer meiner besten Freunde ist - «
»George!« Lanya hob die Hand. Ihr Gesicht verriet gespielten Schmerz. »Komm, sag's nicht.«
»Also -« Georges Geste war galant. - »Ich möchte nur, daß es all meinen Freunden gutgeht. Wenn du keinen abbekommen hättest, siehst du, hätte ich mich bereit erklärt, eine Ausnahme zu machen in meiner Standardmethode und hätte dich in meine Liste aufgenommen. Wir müssen uns doch um unsere Freunde kümmern, oder?«
»Das ist wirklich süß von dir«, sagte Lanya. »Aber in dieser Hinsicht bin ich königlich aufgehoben.«
Und Kidd war überglücklich, stellte das andere Knie auf den Boden und lehnte sich zurück. Plötzlich trat ein Gedanke, der langsam unter der Artikulationsschwelle kreiste, an die Oberfläche: Sie kennen sich . . . waren die ersten Worte; weitere folgten, umgaben klare Gedanken mit ausgefransten, tönenden Ringen. Er dachte an das Poster. Es war der gleiche Mann mit dem gleichen dunklen, groben Gesicht (das jetzt lachte), dem gleichen Körper (der Khakioverall war ziemlich weit, aber hin und wieder, wenn er ein Bein bewegte oder die Schulter drehte, schien ein Ärmel oder die Taille zu platzen), den er abgebildet, entblößt, schwarz und bronze beleuchtet gesehen hatte.
»Ja dann« - George machte eine hin- und herwischende Bewegung - »ist ja alles fein! Ihr beide kommt vorbei. Ich möchte diesen Typen gerne kennenlernen. Du suchst dir ganz schön interessante aus.«
»Okay«, versprach Lanya: »Also, ich muß jetzt weiter. Wollte nur kurz guten Tag sagen.«
Und jetzt, dachte Kidd, springt Milly herbei und . . .?
»Okay, mach's gut«, sagte George. »Vielleicht bis später in der Bar.«
Jetzt . . .?
»Tschüs.« Lanya drehte sich um und ging die Stufen hinab.
George schüttelte den Kopf, ging zurück zur Mauer - blickte einmal hinter ihr her - nahm die Zeitung und fuhr, während er sie mit einer Hand aufschlug, mit der anderen in seine Brusttasche nach der Brille. Beim dritten Mal hatte er sie.
Harmonikatöne wirbelten wie Silberdraht durch die Luft.
Kidd wartete ein halbes Dutzend Atemzüge lang und merkte endlich, daß er Lanyas und Millys Absicht fehlgedeutet
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