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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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hatte. Milly hatte offensichtlich gekniffen. Wieder fragte er sich, wovor. Er schlug sich in dichteres Gebüsch, und seine Schenkel waren verkrampft. Er ignorierte sie, als er den Hof umging. Der Boden fiel scharf ab. Dieses Mal würde er sich nicht verstecken, wenn er sie auf dem Weg einholen konnte.
    Die Musik wand sich durch den Rauch bis zu einer exotischen Kadenz, wonach sie in eine neue Tonart überwechselte. Die Melodie hangelte sich an blubbernden Dreiklängen entlang zu einer neuen Kadenz, die nach sechs Takten den Schluß brachte.
    Er kam neben den Stufen heraus. Die kleinen Zweige an Hüften und Schultern wischte er weg.
    Lanya am Fuß der Treppe schlenderte zum Weg und zog ihre Musik wie ein silbernes Cape hinter sich her.
    Sie war mit dem Lied fast fertig. (Er hatte noch nie gehört, wie sie es zu Ende gespielt hatte.) Die Coda nahm den Schluß noch einmal mit einer volkstümlichen Spannung auf, in der zwei gegenläufige Akkorde sich gegenüberstehen, eine Note von der anderen fernhalten und ein Chaos daraus machen. Er ging die Treppen hinter ihr hinab und hatte Gänsehaut, nicht aus Angst oder Verwirrung, sondern von der Musik, die durch den mäusegrauen Nebel schien und durch den Blätterwald glitzerte.
    Er versuchte, leise zu gehen, stoppte zweimal gänzlich, um die Melodie nicht vor dem Schluß abzubrechen.
    Er war auf der untersten Stufe, sie fünfzehn Schritt voraus.
    Die Melodie war zu Ende.
    Er beeilte sich.
    Sie drehte sich um; die Lippen formten irgend etwas mit einem >m<. dann wurden ihre Augen größer. »Kidd . . .?« und sie lächelte. »Was machst du denn hier?« und nahm seine Hand.
    »Ich habe dir nachspioniert«, sagte er. »Dir und George.«
    Sie hob die Brauen. »Wirklich?«
    »Yeah.« Zusammen gingen sie weiter. »Dein Lied hat mir gefallen. »Oh . . .«
    Er blickte zu ihr hinüber.
    Ihr war es peinlicher, merkte er, daß er ihrer Musik gelauscht hatte als der Unterhaltung. Während er sich noch fragte, was er sagen könnte, um sie wieder zu versöhnen, versuchte sie:
    »Danke«, leise, »trotzdem.«
    Er drückte ihre Hand.
    Sie drückte seine.
    Schulter an Schulter gingen sie den Weg hinauf, und Kidds Gedanken überlegten und versuchten und rieten, was wohl ihre Gedanken überlegten, versuchten, rieten. Plötzlich fragte er: »Diese Person, die vergewaltigt wurde, von der du George erzählt hast - war das Milly?«
    Lanya blickte überrascht auf. »Nein . . . oder sagen wir, ich möchte es lieber nicht beantworten.«
    »Huh? Was bedeutet das, du möchtest es lieber nicht sagen?«
    Lanya zuckte die Achseln. »Ich meine nur, Milly möchte vielleicht nicht, daß ich es irgend jemandem sage.«
    Kidd runzelte die Stirn. »Hört sich nicht vernünftig an.«
    Lanya lachte, ohne einen Ton von sich zu geben, so daß es eher wie ein Gesichtsausdruck war, ein Atem durch die Nase bei geschütteltem Kopf. Wieder zuckte sie die Achseln.
    »Also, gib mir doch eine einfache Antwort. Ist sie oder ist sie nicht -?«
    »Nein, komm«, antwortete Lanya. »Du bist ein süßer Typ, und ich weiß, du machst es nicht extra. Es ist nur die Art von Männern, alles, was zwischen zwei Frauen vorgeht, zu unterminieren. Hör damit auf.«
    Er war verwirrt.
    Sie fragte: »Okay?«
    Verwirrt stimmt er zu: »Okay.«
    Sie gingen weiter. Das Lied hatte sich in seine Erinnerung eingegraben und malte die stillen Bäume aus. Der Himmel hatte eine tiefere Färbung angenommen, die man blau nennen konnte und hing in blattförmigen Fetzen um sie herum.
    Er war verwirrt, aber immer noch glücklich.
    Auf der Lichtung der Kommune stand Milly mit Jommy an der Feuerstelle, wandte sich um und rannte zu ihnen. »Lanya, Kidd -« Und zu Lanya: »Hast du es ihm erzählt?«
    Lanya antwortete: »Nein, noch nicht.«
    »Oh, Kidd, ich habe Angst -« Milly schnappte nach Luft. Sie war nicht nur von der Feuerstelle hergerannt. »Ich habe nämlich fast den ganzen Weg zurück hinter euch herspioniert«, sie lachte. »Weißt du, wir hatten ausgemacht, daß ich mich in den Büschen verstecke und Lanya und George belausche -« »Huh?« sagte Kidd.
    Lanya sagte: »Er ist doch nicht so schlimm -«
    »Kidd?« fragte Milly. »Oh - du meinst George! Nein, natürlich nicht . . . « Wieder zu Kidd: »Ich wollte dann Lanya auf dem Rückweg vom Wetterturm wieder treffen« - also war es nicht das Kloster, hätte es aber gut sein können -, »als ich dich dreißig Sekunden vor mir über die Stufen rennen sah.«
    Er sagte zu Lanya: »Dann hast du also auf Milly

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