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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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. . .?« Die vielen Fragen in seinem Kopf verringerten sich, als Milly sagte:
    »Ich konnte nicht nahe genug dranbleiben, um alles zu hören. Ich hätte zuviel Lärm gemacht. Ich habe einfach ein Stück abgeschnitten und bei der Schlangenkreuzung die Wege wieder erreicht. Oh, Lanya, das ist ein wunderschönes Lied. Du solltest es wirklich für die anderen Leute spielen. Du wußtest, daß ich zugehört habe und hast es doch bis zu Ende gespielt. Laß dich doch nicht durch andere Leute verlegen machen . . . Kidd -?« Milly runzelte die Stirn. »Du siehst so verstört aus, Kidd!« Plötzlich nahm sie ihn in den Arm; rotes Haar fuhr trocken über seine Wange. Er stolperte fast. »Ehrlich, tut mir leid!« Sie gab ihn frei und legte die Hand auf Lanyas Schulter. »Ich wollte nicht lauschen. Aber du wußtest, daß ich da war . . .« Sie blickte Lanya fast flehend an. »Ich konnte einfach nicht widerstehen!« Und lachte.
    Er zwinkerte, sie lächelte ....»... ist schon gut.« Er dachte
    wieder an die Melodie, es war kein intimer Moment, in dem er gelauscht hatte. Es war für die Freundin gedacht gewesen. War es deshalb so schön gewesen, fragte er sich. Lanya lachte ebenfalls.
    Also lachte er mit ihnen.
    Bei der Feuerstelle schlug Jommy mit der Kelle an den Topf. »Kommt. Die Suppe ist fertig. Kommt und holt sie euch!«
    Zwei Dutzend Leute kamen mit Eßgeschirren und -töpfen, Schalen und Blechtassen und Schüsselchen herbei und versammelten sich am Feuer.
    »Kommt, laßt uns essen«, meinte Lanya.
    »Ja, du auch, Kidd!« sagte Milly. »Komm.«
    Er folgte den Mädchen zu den anderen Leuten. Ein hagerer Spade mit rötlichen Haaren und goldgeränderten Zähnen gab ihm einen zerkratzten Emailteller. »Ich habe zwei, Mann. Du kannst diesen haben.« Aber als er an die Reihe kam, beim Feuer seinen Schlag Suppe in Empfang zu nehmen, war es John (mit wehender Weste und Brillengläsern voller Flämmchen) und nicht Jommy, der austeilte. Der Himmel war fast dunkel. Obwohl das Feuer Kupferschein auf Millys Bein warf, konnte er, als er ihnen folgte, auf keinem Bein den Kratzer entdecken. Er führte Lanya aus der Menge heraus und versuchte dabei, seinen Teller geradezuhalten.
    Die Dämmerung war schnell hereingebrochen - und blieb und ließ es nicht dunkel werden. Sie saßen an ihrer Stelle auf zerknüllten Wolldecken. Er schielte zwischen den krumpeligen Blättern hindurch, und der Himmel regnete staubige Fetzen herab, rußig und kühl.
    »Noch ein Tag Arbeit bei den Richards, und sie sind umgezogen.«
    »Du . . . also du hast jetzt einen Namen. Und einen Job. Bist du glücklich?«
    »Shit -« Er drehte sich auf den Rücken und fühlte Zweige, Steinchen, Unebenheiten und die Kette unter sich. »Ich habe mich noch nicht einmal entschieden, wie ich ihn buchstabiere. Und sie haben mir immer noch nicht mehr als die ersten fünf Dollar gezahlt.«
    »Wenn sie dich nicht bezahlen« - auch sie streckte sich -,»warum gehst du dann zurück?«
    Er zuckte die Achseln. »Vielleicht wissen sie, daß ich nicht zurückkäme, wenn sie mir das Geld gäben.« Wieder zuckte er mit den Schultern. »Ist nicht so wichtig. Wie ich schon Madame Brown sagte, ich fühle mich nur als Beobachter. Es macht Spaß, ihnen zuzusehen.« Dachte: Eines Tages werde ich sterben. Er blickte sie an: »Weißt du, ich habe Angst vor dem Sterben. Ganz schön viel.«
    »Hm?«
    »Ehrlich. Manchmal, wenn ich so herumlaufe, denke ich, mein Herz bleibt stehen. Und dann fasse ich dahin, nur um sicher zu sein, daß es noch schlägt. Das ist komisch, denn wenn ich mich hinlege und einschlafen will und mein Herz hören kann, muß ich mich anders hinlegen, oder ich bekomme Angst.«
    »- daß es aufhört zu schlagen, und du hörst es?« fragte sie.
    »Yeah.«
    »Das passiert mir auch manchmal. Als ich fünfzehn war, auf dem Internat, saß ich einmal lange Zeit auf dem Rand des Daches vom Hauptgebäude und dachte über Selbstmord nach.«
    »Ich wollte noch nie Selbstmord machen«, sagte er. »Noch nie. Manchmal dachte ich, ich täte es - weil ich so einen irren Zwang spürte, von einem Haus runterzuspringen oder mich vor einen Zug zu werfen, nur um zu sehen, wie Sterben ist. Aber ich habe noch nie gedacht, daß das Leben es nicht wert ist oder daß eine Situation so schlimm war, daß nichts wieder in Ordnung käme, selbst wenn ich einfach auf der Stelle sitzenblieb - also, wenn ich nicht aufstehen und weggehen konnte. Aber wenn ich mich auch nicht selber umbringen wollte, denke ich doch oft

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