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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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bei der Arbeit.«
    Er zuckte die Achseln. »Ich wollte gerade eine Pause einlegen.«
    Als Madame Brown sich setzte, brachte ihr der Barmann das Übliche und stellte Kidd ein neues Bier hin. »Was schreiben Sie? Ein neues Gedicht?«
    »Ein langes. Im natürlichen Rhythmus der englischen Sprache.«
    Sie zog die Brauen hoch, und er schloß automatisch das Buch; wünschte sich dann, er hätte es unterlassen. »Wie geht es Mr. und Mrs. Richards und June?«
    »Oh.« Sie preßte die Knöchel auf das Holz. »Wie immer.«
    »Fühlen sie sich wohl in der neuen Umgebung?«
    Sie nickte. »Ich war vorgestern dort zum Abendessen. Heute abend haben sie allerdings andere Gäste. Es war ganz lustig, zu beobachten, wie Mary dafür sorgte, daß ich nicht zufällig heute abend auftauche.« Sie lachte nicht. »Oh, ja, sie haben sich ganz gut eingelebt.« Sie lehnte sich zurück. »Wenn doch nur mehr Leute hier wären. Die Stadt saugt sie auf, oder vielleicht . . . gehen viele?«
    Kidd legte die Orchidee auf das Buch, wo sie auf den drei längsten Klingen ruhte.
    »Wahrscheinlich müssen Sie das immer mit sich herumtragen, oder?«
    Madame Brown lachte. »Vielleicht sollte ich mir auch eine besorgen. Vielleicht habe ich in dieser gefährlichen Stadt bisher einfach Glück gehabt?«
    Er bewegte die Hände von verschiedenen Seiten aufeinander zu, bis sich seine plumpen Fingerspitzen in dem Käfig trafen und die Klingenspitzen die Haut dazwischen festhielten, was brannte, fast einschnitt. »Ich muß noch einmal zu den Richards. Wegen des Geldes.«
    »Man hat Sie nicht bezahlt?«
    »Fünf Dollar. Am ersten Tag.« Er sah sie an. »An dem Morgen, als ich Sie im Park traf, haben Sie gesagt, sie zahlen fünf Dollar pro Stunde.«
    Sie nickte und sagte leise etwas. Er dachte, es höre sich wie ». . . armer Kleiner« an, konnte aber nicht feststellen, ob vor »armer« noch ein »du« klang.
    »Wie haben sie es Ihnen gesagt?«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Was genau haben sie Ihnen gesagt?«
    Sie wandte sich stirnrunzelnd ihrem Glas zu.
    »Sie haben mir gesagt, wenn ich einen jungen Mann finde, der ihnen beim Umzug hilft, soll ich ihm sagen, sie zahlen ihm fünf Dollar die Stunde.«
    »Mr. Richards.«
    »Ja.«
    »Das war einer der Gründe, warum ich den Job angenommen habe. Obwohl natürlich jeder weiß, daß ich es hier nicht brauche. Aber sie haben wohl gewußt, was sie taten, oder?«
    »Sie hätten mit ihm reden sollen. Er hätte Ihnen - irgend etwas gegeben.«
    »Ich will das haben, was er anfangs geben wollte - shit, an dem letzten Tag konnte ich ihn nicht fragen.«
    »Das wäre wohl ein bißchen merkwürdig gewesen.«
    »Ich muß noch einmal bei ihm vorbei und mit ihm reden, denke ich.« Er öffnete das Notizbuch. »Ich glaube, ich schreibe jetzt noch ein bißchen, Madame.«
    »Wenn doch bloß mehr Leute hier wären.« Sie stieß sich von der Bar ab.
    »Es ist noch früh.«
    Aber sie hörte nicht zu.
    Er blätterte die Seiten um, bis er auf die Stelle stieß: . . . wie Druck über das Wort hinausgeht. Ich will schreiben, kann aber nur diesen Wunsch mit Worten ausdrücken. Vielleicht sollte ich mich mit der Tatsache trösten, daß bei den wenigen Schriftstellern, die ich kenne, die Veröffentlichung, proportional zum jeweiligen Talent, ein Ereignis war, das immer mit Katastrophen einherging. Aber vielleicht handelte es sich einfach um eine merkwürdige Gruppe . . .  
    »Ba-da«, flüsterte er und blätterte weiter bis zu einer leeren Seite. »Ba-da, ba-da, ba-da.«
     
    *
     
    Im Briefkasten steckte immer noch der Brief.
    Zwischen den verbogenen, zerstörten Türen unterlegte Blau, Weiß und Rot dieses einzige intakte Gitterfenster. Er glaubte, die Adresse eingeschwärzt zu sehen: Zurück an Absender. Ich könnte so tun, dachte er, als laute sie »Edward Richards«, aus einem Hotel in Seattle, Washington, Dritte, Ecke Freemont Avenue. Er konnte sich einiges so zurechtmachen, wenn die Beleuchtung so düster war ... Er drehte sich um und ging zum Fahrstuhl.
    Immerhin hatte jemand den Flur aufgewischt.
    Er drückte auf den Knopf.
    Wind fuhr aus dem leeren Schacht. Er ging in den anderen.
    Er langte in einem stockfinsteren Flur an - die Tür machte K-tschung - bevor er merkte, daß er aus Gewohnheit siebzehn gedrückt hatte und nicht neunzehn. Im Dunkeln verfinsterte sich sein Gesicht, und er ging weiter. Seine Schulter berührte eine Wand. Er streckte die Hand aus und fühlte eine Tür, ging weiter, bis er die nächste fühlte.
    Dann hielt er an -

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