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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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während Sie gelesen haben. Himmel, oben sieht es schlimm aus.«
    Mr. Newboy zog die Brauen zusammen. »Ich wußte nicht einmal, daß dort jemand wohnt.«
    »Danach sieht es auch nicht aus«, gab sie zurück. »Jedenfalls jetzt nicht.«
    »Ist das im dritten Stock?«
    Lanya nickte.
    »Roger hat irgend etwas gesagt, daß wir diesen Teil nicht bewohnen - die Türen waren verschlossen, nicht wahr? Ich dachte, dort drüben würden irgendwelche Leitungen repariert.«
    »Sie waren geschlossen, aber nicht versperrt«, sagte Lanya. »Ich bin einfach hineingegangen. Er wurde bewohnt, als ich hier war - ich wollte in das Zimmer, in dem Phil und ich gewohnt hatten. Aber . . . die Teppiche sind vom Boden gerissen und zerfetzt. Es sieht aus, als habe jemand die Lichtleitungen aus der Decke gemeißelt zusammen mit dem ganzen Putz. In dem Bad neben unserem Zimmer steht das Waschbecken einfach in der Mitte des Raumes, und diese hübschen, viktorianischen Kacheln sind alle zerschlagen. In der Wand sind zwei Löcher, die aussehen, als seien sie mit einer Dampframme hineingebohrt worden - und dann hat jemand sämtliche Matratzen aufgeschlitzt!« Sie blickte auf die Stoffetzen. »Und mein Kleid. Es lag zusammengeknüllt in einer Ecke des Schrankes . . . die Kleiderbügel waren alle heruntergefallen und die Kleiderstangen zerschlagen, verbogen und so.« Sie hielt das Kleid hoch. »Das muß jemand gemacht haben - sieht aus, als sei jemand mit dem Rasiermesser darangegangen. Aber warum um alles in der Welt?«
    »Ach du liebe Güte«, sagte Mr. Newboy. »Also, das ist absolut - «
    »Es spielt allerdings keine Rolle«, sagte Lanya. »Ich meine das Kleid. Als ich es hier ließ, habe ich nicht daran gedacht, wieder zurückzukommen. Aber warum -?« Sie blickte Kidd an, dann Newboy. Plötzlich sagte sie: »Oh, hey, ich wollte nicht unterbrechen!« Sie knüllte das Kleid zu einem Bündel zusammen und lehnte sich wieder an die Balustrade. »Bitte macht weiter. Lies weiter, Kidd.«
    Kidd sagte: »Laß uns hinaufgehen und uns das ansehen -« »Nein,« sagte Lanya überraschend laut. Newboy zwinkerte.
    »Nein, ich möchte wirklich nicht mehr dorthin.«
    »Aber . . .?« Kidd runzelte die Stirn.
    »Roger hat uns gebeten, diesen Flügel nicht zu betreten«, meinte Newboy unbehaglich. »Aber ich hatte keine Ahnung, daß - «
    »Ich habe die Türen wieder zugemacht.« Lanya blickte auf die blaue Seide in ihren Fäusten. »Ich hätte es oben lassen sollen.«
    »Vielleicht ist da eine wilde Party entgleist?« fragte Kidd. Lanya antwortete: »Das sieht für mich überhaupt nicht nach Party aus.«
    Newboy war, Kidd bemerkte es plötzlich (und merkte gleichzeitig, daß Lanya es ebenfalls sah) aufgeregt. Lanyas Antwort war: »Ist der Kaffee noch heiß? Ich glaube, ich möchte eine Tasse.«
    »Sicher.« Newboy stand auf und ging zur Kanne. »Mach weiter, Kidd«, sagte Lanya. »Lies noch ein Gedicht«, als Newboy ihr die Tasse brachte.
    »Ja.« Der ältliche Dichter nahm sich zusammen und kehrte zu seinem Stuhl zurück. »Lassen Sie uns noch eins hören.«
    »Gut.« Kidd blätterte. Sie hatten sich verschworen, wenn nicht Lanyas Information selber, dann doch wenigstens die beunruhigende Reaktion darauf zu vergessen. Und er muß hier leben, dachte Kidd. Es waren nur noch drei Gedichte.
    Nach dem zweiten sagte Lanya: »Das ist eines meiner Lieblingsgedichte.« Ihre Hand fuhr über das zerfetzte Blau, das gefaltet über der Mauer hing.
    Und er las das dritte. »Und jetzt«, sagte Kidd, vornehmlich, um die Sache in Gang zu halten, müssen Sie mir wenigstens ungefähr mitteilen, ob sie gut oder schlecht sind.« Ein Gedanke, der ihm seit ihrer Ankunft nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen war, nur früheres gedankliches Durchspielen brachte ihn jetzt hervor.
    »Ich habe es richtig genossen, Ihnen zuzuhören«, antwortete Newboy. »Aber was das andere betrifft, müssen Sie sich einfach mit Mann sagen: Ich kann es nicht wissen, und Sie können es mir nicht sagen.«
    Kidd lächelte und griff nach drei weiteren Plätzchen vom Teewagen. Er versuchte, an etwas anderes zu denken.
    Newboy sagte: »Warum machen wir nicht einen kleinen Spaziergang durch den Garten? Wenn es ein sonniger Tag wäre, wäre es wahrscheinlich phantastisch. Aber es ist angenehm, irgendwie herbstlich.«
    Lanya, die in ihre Tasse blickte, hob plötzlich die Augen. »Ja, das ist eine gute Idee. Das ist gut.«
    Und das, merkte Kidd, war eine freundliche Geste von Newboy zu Lanya. Irgendwie hatte sie

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