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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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die Brust zwischen den Vorderteilen der Weste. »Glauben Sie, daß sie das bedeuten?«
    »Entschuldigen Sie? Wie bitte?«
    Kidd hakte die Daumen hinter die Kette und zog daran. »Die da. Glauben Sie, daß sie das bedeuten sollen?«
    Mr. Newboy lachte. »Ich habe nicht die geringste Idee! Sie haben welche. Ich nicht. Ich habe Leute hier damit gesehen. Oh, nein. Ich würde nie wagen, zu sagen, was sie bedeuten.«
    Kidd bückte wieder nach unten. »Sind Sie immer so zu Leuten, die Ihnen ihre Gedichte bringen?« fragte er, weit weg vom aggressiven Ton, den er hatte hineinlegen wollen: Er grinste.
    Newboy lachte immer noch. »Weiter.« Newboy machte eine Handbewegung. »Lesen Sie mir jetzt ein paar vor.« Er setzte sich nach vorn, nahm noch einen Schluck, stellte dann seine Tasse ab. »Nein, ehrlich. Ich möchte ein paar davon laut hören.«
    »Gut«, sagte Kidd, erwartete, Abneigung zu spüren, erfuhr aber eine andere Art von Angst. Betroffen bemerkte er wieder die Anzahl der verbliebenen freien Seiten.
    »Lesen Sie das über diesen Hund. Das mochte ich.«
    »Murielle?«
    Newboy nickte, die Hände im Schoß gefaltet. Kidd blätterte zum Anfang des Buches. Er begann zu lesen.
    Atemlosigkeit ließ die dritte Zeile aus. Irgendwo blühte etwas wie Vergnügen unter seiner Zunge auf, machte sie aber anstatt flinker eher sensitiver, so daß er, ohne zu unterbrechen, merkte, wie die Vokale in ragen und zart an der gleichen Stelle entsprangen, dann aber verschiedene Wege gingen. Er spürte, wie sein Gesicht für die klingenderen Töne mehr Raum schaffte. Er ließ sie die Muskeln um seinen Mund bewegen, bis Stakkato Ts und Ks die letzte Zeile kräuselten und ihn zum Lächeln brachten.
    »Wunderbar«, sagte Newboy. »In ziemlich schrecklicher Weise. Lesen Sie das davor.«
    Er las und verlor sich in seinen Mundbewegungen, bis ein einzelner Zusammenklang im Ohr ihn zu einer schrilleren Tonlage trieb. Dann beruhigten die längeren Töne die Antwort.
    »Da sind zwei Stimmen im Dialog, nicht wahr?« kommentierte Newboy am Ende. »Das habe ich beim bloßem Durchlesen nicht gemerkt.«
    »Huh? Oh, yeah. Vielleicht sollte ich sie auseinandernehmen?«
    »Nein, nein!« Mr. Newboy setzte sich aufrecht hin und gestikulierte. »Nein, glauben Sie mir, das ist nicht notwendig. Auf einer gedruckten Seite wird es absolut klar herauskommen. Es war mangelnde Aufmerksamkeit beim Lesen, glauben Sie mir. Machen Sie doch weiter.«
    Er las.
    Was ihm wie Bilder gekommen war (die er mit den Lippen und gezücktem Stift ausgewählt hatte), kam wieder, schockierend, leuchtend - manchmal mehr, manchmal weniger klar als die Erinnerung, aber so voll, daß er sie mit der Zunge herausstieß, um sie nicht aufzuessen. »Es macht großen Spaß«, sagte Newboy, »daß Sie Ihre eigenen Gedichte so sehr mögen. Haben Sie schon einmal gemerkt, wie freier Vers ganz von allein zum jambischen Pentameter wird? Besonders bei Leuten, die nicht viele Gedichte geschrieben haben.«
    »Sir?«
    »Nun, das ist nur natürlich. Es ist der natürliche Rhythmus der englischen Sprache. Sie wissen schon, wenn die Zeile bada, ba-da, ba-da, ba-da geht? Oh, bitte, sitzen Sie nicht so verwirrt da. Lesen Sie noch etwas. Ich will nicht wieder schulmeistern. Ich habe Spaß daran. Wirklich.«
    Kidd war glücklich verlegen. Seine Augen senkten sich - auf die Seite. Kidd las, blätterte um, las . . . Einige Male dachte er, daß er schon schrecklich lange las. Aber Newboys Handbewegung bat um noch eines und bat einmal, beide Versionen hören zu können (Ich habe beim Durchblättern gesehen, daß Sie zwei davon haben, und nach der ersten Version: »Nun, die meisten Ihrer Änderungen gehen in die richtige Richtung.«) und ließ ihn noch ein paar weitere lesen. Vertrauensvoller wählte Kidd jetzt andere aus, ging zu einem zurück, das er zunächst ausgelassen hatte, sprang dann nach vorn, fand Vergnügen, das kein Stolz war, und am stärksten, wenn er den Mann, der vor ihm Plätzchen knusperte, vergaß; das in der Höhlung unter seiner Zunge eine unterstützende Kraft war.
    Er hielt inne und blickte Newboy an.
    Der Dichter blickte stirnrunzelnd auf etwas anderes.
    Lanya sagte (mit einer Stimme, die Kidd zum Stirnrunzeln brachte) zehn Fuß unterhalb der Terrasse: »Ich ... ich wollte nicht unterbrechen.« Es war blau, es war zerfetzt, es war Seide.
    »Was ist das?«
    »Mein . . . Kleid.« Sie kam zu ihnen, trug es über dem Arm. »Ich habe oben im Observatoriumsflügel nach meinem Kleid gesehen . . .

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