Dhalgren
Richards hielt sich an der Tischkante, lächelte, nickte: »Machen Sie, Kidd!«
Ronnie sagte zu Mrs. Richards: »Er will sein Geld. Er ist ein ganz schön cleverer Dichter.« Obwohl sie leise sprach, lachten alle.
Erblickte auf Mrs. Richards Abschrift von seinem Gedichtund zog die Zunge von den Zähnen für das erste Wort.
Im Flur schrie ein Mann ohne Worte oder Modulation; Schritte, einige dumpfe Geräusche - bei jedem änderte der Schrei die Tonlage.
Kidd begann zu lesen. Bei der dritten Zeile stoppte er, wollte laut lachen, sah aber nicht hoch.
Schritte: schnelle streitende Stimmen - mehrere.
Kidd las weiter, bis er an Mrs. Richards weggelassenes Komma gelangte.
Lynn neben ihm stieß einen kleinen Schrei aus. Aus dem Augenwinkel sah er, wie ihr Mann den Arm um sie legte. Jemand schlug von draußen an die Wand, vermutlich mit einem Meißel. Der Schrei brach hysterisch in mexikanischem Akzent: »Oh, come on, bitte, komm, laß mich los! Mach kein' Scheiß - Nein! Komm, komm - Nein. Bitte - «
Die Schläge bewegten sich von der Wand zur Tür und fielen mit gezielter, bewußter Dumpfheit. Unter den Schlägen hörte er wie in einer Hülle aus Geräuschen wie die Kette rasselte, die Angeln quietschten, das Schloß klickte.
Als er in die Tischrunde blickte, ging ihm unpassend und überflüssigerweise der Gedanke durch den Kopf: Sie sehen so aus wie ich vermutlich, wenn irgendwelche Augen plötzlich rot werden.
Draußen lachte jemand lauter als die Schreie.
Kidds eigene Angst war unterdrückt und durchsichtig und vertraut genug, daß sie fast unbewußt war. Sie richtete sich auf irgend etwas im Flur.
Aber er wollte nicht lachen. Ihm war immer noch nach Kichern.
Draußen begann jemand zu laufen. Andere rannten hinterher.
Ein Muskel an Kidds Schenkel war bis zum Zerreißen gespannt. Er lächelte unsicher, verwirrt. Sein Nacken kitzelte. Ein Stuhl knarrte.
»Um Himmels willen, warum -« und wo der Rhythmus den nächsten Schlag programmierte: »hören sie denn nicht auf?«
Die Schritte wurden leiser, stolperten Stufen hinab, wurden durch zuschlagende Türen gedämpft.
Kidd setzte sich, sah die Gäste an, von denen einige zurückblickten. Die Frau in Kord blickte auf ihren Schoß. Mrs. Richards atmete schwer. Er fragte sich, ob jemand sein Gedicht gut fand.
»Das passiert hier wohl öfter, heh?« meinte Sam gequält lustig. Dann verschüttete eine Frau am Ende des Tisches, die Kidd nicht sehen konnte, ihren Kaffee.
»Oh, ich hole ein Tuch«, rief Mrs. Richards und floh aus dem Raum.
Drei Leute versuchten auf einmal, nichts Besonderes zu sagen.
Als Mrs. Richards mit einem schwarz-weißen Op-Art-Wischtuch zurückkam, löste sich eine Stimme, ein zögernder Bariton: »Um Himmels willen, können wir denn nichts tun? Ich meine, wir müssen doch etwas tun!«
Von mehreren verschiedenen Gefühlen war das einzige, was Kidd deutlich verspürte, Ärger. »Mr. Richards?« fragte er, »Mr. Richards, kann ich jetzt mit Ihnen sprechen?«
Mr. Richards hob die Brauen, schob dann seinen Stuhl zurück. June neben ihm war überraschenderweise betroffen und legte die Hand auf den Arm ihres Vaters . . . zurückhaltend? schützend? Mr. Richards schob ihre Hand beiseite und kam auf ihn zu.
Kidd nahm seine Orchidee und ging in den Flur.
Die Frau in Kord sagte: »Wenn dir etwas einfällt, was du tun kannst, würdest du es mir bitte mitteilen? Du hast meine hundertprozentige Unterstützung. Hundert Prozent, glaub mir.«
An der Tür wandte Kidd sich um. »Wir sollten diese Fünf-Dollar-pro-Stunde-Sache jetzt regeln, finden Sie nicht, Mr. Richards? weil es einfach —«
Mr. Richards' schwaches, gepreßtes Lächeln zerbrach. »Was wollen Sie denn machen, huh? Ich meine, fünf Dollar die Stunde, Sie müssen doch verrückt sein!«
Mrs. Richards hielt immer noch das Wischtuch in der Hand, erschien hinter der Schulter ihres Mannes und blinkte mit den Augen - eine perfekte Imitation von Smokey und Dreizehn.
»Ich meine, was wollen Sie denn machen?« fuhr Mr. Richards fort. »Wir haben kein Geld, und darüber sind Sie sich besser im klaren.«
»Huh?« weil es absurd schien.
»Fünf Dollar die Stunde«, wiederholte Mr. Richards. »Sie müssen wahnsinnig sein!« Seine Stimme war eindringlich, gespannt, leise. »Wofür braucht jemand wie Sie überhaupt Geld? In dieser Stadt zu leben kostet keinen Pfennig - keine Lebensmittel, keine Miete. Geld bedeutet hier nichts mehr. Worauf wollen Sie hinaus? Ich habe eine Frau. Ich habe Familie.
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