Dhalgren
geschrieben?«
»Yeah - nun . . . nein. Das heißt, das meiste stand schon drin, als ich es fand. Deshalb wollte ich wissen, ob es deins war.«
»Oh«, sagte Frank. »Nein, mir gehört es nicht.«
Kidd drehte sich unter Jacks Hand weg. »Das ist gut. Weil, als du sagtest, du hättest dein Notizbuch verloren, da dachte ich . . .«
»Yeah«, sagte Frank. »Das kann ich verstehen.«
»Wir gehen jetzt und suchen ein paar neue Mädchen«, sagte Jack. »Kommst du mit?«
»Jack glaubt, zu mehreren ist man sicherer«, sagte Frank.
»Nein, nein, das ist es nicht«, protestierte Jack. »Ich dachte nur, er möchte vielleicht mitkommen und uns helfen, ein paar Mädchen aufzureißen. Das ist alles. Vielleicht können wir noch einmal in dieses Haus gehen?«
»Nein, danke«, sagte Kidd. »Ich muß hier noch ein Weilchen bleiben.«
»Der Kid hier hat ein festes Mädchen«, sagte Jack wissend. »Ich wette, er wartet auf sie.«
»Hey . . . tut mir leid, daß es nicht dein Notizbuch ist«, sagte Kidd zu Frank.
»Yeah«, gab Frank zurück, »das finde ich auch.«
»Bis später«, sagte Jack, während Kidd (lächelnd, nickend) sich über Franks Ton wunderte.
Er rieb abwesend über das Papier (konnte die Brailleeindrücke des Stifts spüren) und sah, wie sie hinausgingen.
Sie stießen mit der Schulter an Ernest Newboy, der gerade die Bar betrat. Newboy stoppte, zog an seinem Jackett, sah sich um, erkannte Fenster, sah Kidd und kam auf ihn zu.
Kidd setzte sich ein bißchen gerader hin.
»Hallo. Wie ist es Ihnen in den letzten Tagen ergangen?«
Dieser kleine Triumph rief bei Kidd ein Grinsen hervor. Um es zu verbergen, blickte er wieder ins Buch. Das Gedicht, das Frank aufgeschlagen gelassen hatte, trug den vorläufigen Titel:
LOUFER
Am Rand hatte er die Alternativen notiert: Der Rote Wolf, Der Feuerwolf, Der Eisenwolf. »Eh . . . gut.« Plötzlich nahm er entschlossen den Stift aus dem oberen Knopfloch der Weste, strich LOUFER aus und schrieb WOLFBRINGER darüber. Er blickte Newboy an. »Es ging mir richtig gut. Habe auch viel gearbeitet.«
»Das klingt gut.« Newboy nahm seinen Gin-Tonic, den der Barmann hingestellt hatte. »Ich hatte übrigens gehofft, Sie heute abend hier zu treffen. Es hat mit der Unterhaltung zu tun, die ich mit Roger hatte.«
»Mr. Calkins?«
»Wir waren bei unserem Verdauungs-Brandy im Oktober-Garten, da habe ich ihm von Ihren Gedichten erzählt.« Newboy machte eine kleine Pause, um die Reaktion abzuwarten, bekam aber keine. »Er war von dem, was ich erzählte, sehr beeindruckt.«
»Wie konnte er beeindruckt sein? Er hat sie doch nicht gelesen.«
Newboy kippte seinen Gin hinunter. »Vielleicht hat ihn meine Beschreibung beeindruckt, ebenso die Tatsache, daß die Gedichte . . . wie soll ich es sagen? Nicht nur, daß sie über diese Stadt hier sind, Bellona, sondern daß Bellona in denen, an die ich mich am besten erinnern konnte, die Atmosphäre schafft, die Gedichte . . . nun, erst hervorbringen.« Das kleine Fragezeichen am Ende wollte Bestätigung.
Kidd nickte, aber eher, um ihn zum Weiterreden zu bewegen, als um ihn zu bestätigen.
»Die Stadt schafft eine gewisse Atmosphäre, eine gewisse Stimmung und Betroffenheit. Oder bin ich jetzt anmaßend?«
»Huh? Nein, klar.«
»Jedenfalls hatte Roger die Idee: Warum fragen wir nicht den jungen Mann, ob er sie gedruckt haben will.«
»Huh? Nein, klar.« Obwohl die Zeichensetzung die gleiche war, hatte doch jedes Wort eine andere Länge, Betonung und Modulation. »Ich meine, das wäre . . .« Ein Grinsen zerriß die Spannung, die sein Gesicht umklammerte. »Aber er hat sie doch nicht gesehen.«
»Ich habe ihn darauf hingewiesen. Er sagte, er verließe sich auf meine Begeisterung.«
»So enthusiastisch waren Sie? Er will einige in die Zeitung nehmen, oder?«
»Auch diesen Vorschlag habe ich gemacht. Nein, er will sie in einem Band herausgeben und sie in der Stadt verteilen. Er will, daß ich von ihnen die Kopien besorge und einen Titel.«
Das Geräusch war der explodierende Atem. Kidd zog die Hand über die Theke. Sein Herz schlug laut, unregelmäßig, und obwohl er meinte, nicht zu schwitzen, fühlte er einen Tropfen seinen Rücken hinunterperlen, an der Kette anhalten. »Sie müssen ganz schön begeistert gewesen sein« - und weiterrollen.
Newboy wandte sich seinem Drink zu. »Da Roger den Vorschlag gemacht hat, und ich annehme, daß Sie einverstanden sind, lassen Sie mich absolut ehrlich sein: Es hat mir Spaß gemacht, Ihre
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