Dhalgren
brüllte Tak so laut, daß die anderen Gäste aufblickten. Fenster runzelte die Stirn, doch Tak schüttelte einfach grimassierend den Kopf. »Er ist schon okay. Hatte nur einen schlechten Tag. Stimmt's Kidd?«
Kidd schluckte und fühlte sich etwas besser. Er wischte sich die Stirn (feucht) und nickte.
»Wie ich gerade sagte«, fuhr Tak fort, als blonde Arme mit tintenblauen Leoparden Kidd ein dampfendes Glas vorsetzten, »für mich ist es eine Frage von Soul.« Über seinen Knöcheln beobachtete er Fenster, der sich nach der Unterbrechung wieder konzentrierte. »Eigentlich habe ich eine schwarze Seele.«
Fenster wandte den Blick von Newboy ab, der gerade durch die Tür verschwand. »Hm?«
»Meine Seele ist schwarz«, wiederholte Tak. »Du weißt, was das ist, Black Soul?«
»Yeah, ich weiß, was Black Soul ist. Wie zum Teufel willst du das wissen?«
Tak schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß du mich verstehst -«
»Du kannst keine haben«, sagte Fenster. »Ich bin schwarz. Du bist weiß. Du kannst keine schwarze Seele haben. Punktum.«
Loufer schüttelte den Kopf. »Du kommst mir meistens ganz schön weiß vor.«
»Hast du Schiß, daß ich dich auch noch imitieren kann?« Fenster nahm sein Bier, stellte dann wieder die Flasche hin. »Was ist das, daß ihr Weißen plötzlich alle -«
»Ich will nicht schwarz sein.«
»- und was gibt dir eine schwarze Seele?«
»Entfremdung. Die ganze Schwulensache zum Beispiel.«
»Das ist der Ausweis einer ganzen Kulturabteilung und Kunst. Du fällst einfach hinein, indem du ins Bett fällst«, entgegnete Fenster. »Schwarz sein ist gleichbedeutend mit dem Ausgeschlossensein von dieser Abteilung, es sei denn, du machst irgendeine hübsch ausgefallene, attraktive Arbeit.« Fenster schnalzte mit der Zunge. »Homo zu sein, macht dich noch nicht schwarz.«
Tak legte die Hände übereinander. »Oh, gut -«
»Du«, verkündete Fenster auf Taks teilweisen Rückzug hin, »wolltest die letzten dreihundert Jahre keine schwarze Seele haben. Was zum Teufel ist es, daß du seit fünfzehn Jahren glaubst, jetzt könntest du dir eine leisten?«
»Shit.« Tak spreizte die Finger. »Du kannst meinetwegen alles von mir nehmen - Ideen, Eigenwilligkeit, Eigentum und Geld. Und ich kann von dir nichts nehmen?«
»Wage es« - Fensters Augen zogen sich zusammen -, »mir gegenüber Überraschung oder Ärger oder Verletzlichkeit (ich erwähne nicht Wut!) an den Tag zu legen, weil das genau der Grund ist, warum du keine schwarze Seele hast.« Plötzlich stand er auf - der rote Kragen entblößte das schwarze Schlüsselbein -und drohte mit dem Finger. »Du lebst seit zehn Generationen so, und jetzt kommst du daher und willst eine schwarze Seele!« Der Finger, heller Nagel auf dunklem Fleisch, stach in die Luft. »Du kannst eine schwarze Seele haben, wenn ich es dir erlaube! Und jetzt geh mir nicht auf die Nerven. Ich muß pissen!« Er drückte sich aus der Nische.
Kidd saß mit zitternden Fingerspitzen da. Seine Knie standen Meilen voneinander. Sein Bewußtsein war so offen, daß jede Aussage in der Unterhaltung wie ein Kommentar zu/über ihn erschien. Er versuchte, sie zu verarbeiten, während der Nachschub schon vom Tisch der Erinnerung verschwand, bis Tak sich mit einem Stöhnen zu ihm wandte und mit dem Zeigefinger den Schild seiner Kappe herunterzog. »Ich hab' das Gefühl« - Tak nickte tiefsinnig -, »daß ich in meinem unermüdlichen Kampf für die Überlegenheit der weißen Rasse wieder einmal übertroffen wurde.« Er verzog das Gesicht. »Er ist ein guter Mann, weißt du. Komm, trink was. Kidd, ich mache mir Sorgen um dich. Wie fühlst du dich?«
»Komisch«, antwortete Kidd. »Merkwürdig . . . aber okay.« Er trank. Sein Atem blieb oben in der Lunge. Darunter tröpfelte etwas Dunkles, Schlüpfriges.
»Streber, selbstgerechter.« Tak sah hinüber, wo Fenster gesessen hatte. »Man könnte glauben, er sei Jude. Aber ein guter Mann.«
»Hast du ihn auch an seinem ersten Tag hier getroffen?« fragte Kidd. »Hast du ihn gevögelt?«
»Huh?« Tak lachte. »Nicht bei seinem Leben. Ich glaube, er macht's mit niemandem außer mit seiner Frau. Wenn er eine hat. Und selbst da fragt man sich noch. Wo immer er auch hinkommt, ich wette, er stolpert über die Körper von liebeskranken Schwulen. Es ist eine Art Erziehung. Auf beiden Seiten. Hey, bist du sicher, daß du nicht irgend etwas eingenommen hast oder so? Denk mal nach.«
»Nein, wirklich nicht. Es ist okay.«
»Vielleicht
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